Erotische Geschichten

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Zu zweit allein (The Law of Nature)

3,3 von 5 Sternen
Version 0.20


Es war laut und nervig. Damit war nicht die Technik des modernen Linienflugzeugs gemeint, denn die großen Turbinen liefen gleichmäßig und mit einem unterschwelligen Summen.
Was mich störte, war der beständige Geräuschpegel meiner Mitreisenden.
Um mich herum wurde in einem fort gemurmelt, gelästert und manchmal lauthals gelacht.
Zum hundertsten Mal bedauerte ich, dass ich vergessen hatte den MP3-Player mitzunehmen. Und mein Handy, mit dem ich mir üblicherweise bei Wartezeiten die Langeweile vertrieb, war in meinem Reisekoffer, denn während des Fluges galt ein striktes Handyverbot.
Wenigstens hatte ich einen Fensterplatz. Der Himmel war wolkenlos und unter mir, weit entfernt, schimmerte die Südsee in einem eintönigen Blau.
Die riesige gleichmäßige Fläche wurde nur durch einen kleinen Punkt gestört, eine Insel, die fast wie ein Schmutzfleck inmitten des Ozeans wirkte.

Ich wandte den Blick ab und schloss die Augen. Der Flug würde noch weitere sechs Stunden andauern und an Schlaf war angesichts meiner Mitreisenden nicht zu denken. Also beschloss ich mir noch einmal etwas Gutes zu tun und einen erneuten Blick auf meine hübsch anzuschauende, aber leider auch ziemlich zickige Sitznachbarin zu werfen.
Sie hieß Carmen und war mit 21 Jahren genau so alt wie ich. Soviel hatte ich noch herausbekommen, bevor sie mir mit ziemlich harschen Bemerkungen zu verstehen gab, dass sie keine weitere Konversation mit mir wünschte. Na gut, es war auch reichlich ungeschickt von mir gewesen, einen so offenkundigen Blick in ihren Ausschnitt zu werfen, aber ich gab mir diesbezüglich nur eine Teilschuld. Ich war schließlich auch nur ein Mann und von daher gegen gewisse natürliche Automatismen nicht gefeit.

Als sie kurz vor dem Start, ihre Sitznummer suchend, schließlich neben meiner Sitzreihe stehen geblieben war, dachte ich erst, ich hätte das große Los gezogen.
Wie ein Engel erschien sie mir, mit ihren langen blonden Haaren, den tiefblauen Augen und den langen dunklen Wimpern.
Ich grüßte lächelnd. „Hallo, ich bin der Mark…“ Mehr zu sagen fiel mir in diesem Augenblick nicht ein. Wie ein Idiot schaute ich stumm in ihr hübsches Gesicht, mit tausend Gedanken und zugleich einer endlosen Leere im Kopf.
Sie trug ein weißes, luftiges, dem heißen Wetter angemessenes Kleid, welches kurz über den Knien endete. „Ich heiße Carmen, hallo!“, erwiderte sie leichthin und verstaute ihr Handgepäck in der Deckenablage.

Ich machte ein freundlich dümmliches Gesicht und als sie sich vorbeugte, um einen Info-Flyer von ihrem Sitz zu nehmen, war es auch schon passiert. Ihr Kleid an sich war nicht besonders tief ausgeschnitten, aber in dieser Haltung gab sie ungewollt einen tiefen Ausblick in ihr Dekolleté preis. Der Augenblick währte nur eine Sekunde, doch er war lang genug, dass sie mich dabei ertappte.
Schuldbewusst zog ich den Kopf ein, doch mein um Verzeihung bittender, treuherziger Blick wurde von nunmehr zornig funkelnden Augen erwidert.
„Idiot. So was muss doch wirklich nicht sein!“ Die Freundlichkeit in ihrer Stimme war mit einem Schlag verschwunden. Ich entschuldigte mich und versuchte abzulenken. „T…tut mir leid. Ich bin übrigens 21, und du?“
Verächtlich kam es ihr über die Lippen: „Ich auch, aber im Gegensatz zu dir bin ich erwachsen!“
Autsch, das hatte gesessen. Stimmt wohl irgendwie doch, dachte ich bei mir, die hübschen Mädchen sind oft auch die arrogantesten. Man muss doch nicht gleich so gereizt reagieren.

Eine ganze Weile sagte ich gar nichts mehr und saß in Gedanken versunken auf meinem Platz. Nach einiger Zeit hatte ich nochmals versucht ein Gespräch mit Carmen zu beginnen, doch bei dem Versuch blieb es, denn ihre Antwort lautete, ich solle sie „in Ruhe lassen, Typen wie ich wären das allerletzte“.
Während ich mich an ihre Reaktion erinnerte, wurde ich auch ein wenig wütend. Eigentlich schätze ich mich als einen netten, hilfsbereiten jungen Mann ein, so eine Behandlung hatte ich nun wirklich nicht verdient.
Wenigstens konnte sie mir nicht verbieten, mich an ihrem hübschen Anblick zu erfreuen und so warf ich von Zeit zu Zeit einen mehr oder weniger verstohlenen Blick zu ihr hinüber. Sie beachtete mich jedoch nicht mehr.

Ich lehnte mich wieder gemütlich zurück und schloss erneut die Augen. Nach einiger Zeit begann ich endlich wider Erwarten einzudösen, als plötzlich eine Explosion alle Gespräche verstummen ließ. Die riesige Passagiermaschine bebte kurz unter einer heftigen Erschütterung. Angsterfüllte Rufe kamen auf. Dann begann die Panik.
Alles schrie und kreischte wild durcheinander. „Das Flugzeug brennt, wir stürzen ab!“ Schnell warf ich einen Blick aus meinem Fenster und tatsächlich, die innen gelegene der zwei Turbinen stand in einem eigenartigen Winkel ab und war in eine dichte Wolke aus Feuer und schwarzem Qualm gehüllt. Vom Flügel selbst lösten sich immer größere Verkleidungsstücke, die wie Papierfetzen flatternd und torkelnd hinter uns zurückblieben. Schlagartig wurde mir klar, dass das Flugzeug unrettbar verloren war – und wir alle sterben mussten.
Das Entsetzen und die Angst schnürten mir die Kehle zu. Aus einem Reflex heraus hielt ich mich an der Kopflehne des Sitzes vor mir fest, denn das Flugzeug neigte sich stark nach links und beschleunigte mit größer werdender Geschwindigkeit. Nie hätte ich gedacht, dass eine Maschine kreischen kann wie ein verwundetes Tier – aber das Flugzeug tat es. Es war ein furchtbar schrilles Geräusch, das die entsetzten Schreie der Menschen beständig untermalte. Während wir immer schneller wurden, begann auch das Rütteln. Die Vibrationen steigerten sich zu einem wilden Stakkato. Krampfhaft hielt ich mich fest.
Die Turbine draußen bot immer noch das gleiche brennende Bild und unter uns schoss mir die Wasserfläche rasend schnell entgegen. Schon konnte ich hier und da die weißen Schaumkronen erkennen. Mit einem Mal flogen Atemmasken von den Decken herab. Der bevorstehende Tod und die Geschehnisse um mich herum versetzen mich in einen Schockzustand und so nahm ich meine Umgebung nur noch wie in einem Film wahr, ich wurde zum unbeteiligten Zuschauer einer in Zeitlupe stattfindenden Katastrophe.

Ein stämmiger Typ, der noch vorhin erst mit seinen Adventure-Urlaubsabenteuern geprahlt hatte, presste sich nun mit schreckensbleichem Gesicht in seinen Sitz und wimmerte unter Tränen vor sich hin. Das Ehepaar von schräg gegenüber stritt sich, der Mann machte die Frau dafür verantwortlich, dass sie ausgerechnet diesen Flug gebucht hatte. Der Kapitän plärrte über die Lautsprecheranlage irgendwelche unverständliche Ansagen. Und Carmen? Sie hatte sich die Atemmaske übergezogen und den Sicherheitsgurt umgelegt. Vorgebeugt nahm sie den Kopf in die Arme, so dass die Ellbogen auf den Knien aufgestützt waren. Genauso hatte es uns die freundliche Stewardess zu Beginn des Fluges ja auch erklärt. Ich tat es ihr gleich und während ich auf den Boden vor mir starrte, lauschte ich den verzweifelten Schreien meiner Mitpassagiere.
Unvermittelt tat es einen so gewaltigen Ruck, dass es mir die Luft aus den Lungen trieb und ich nicht einmal mehr aufschreien konnte. Dann wurde es schwarz vor meinen Augen.

* * *

Was für ein grässlicher Geschmack. Das erste was ich bewusst wahrnahm, war der Sand und das Salz in meinem Mund. Ich spuckte aus, öffnete die blut- und salzverkrusteten Augen und sah mich um. Was machte ich an diesem Strand, mitten im Treibgut? Mit einem Schlag kehrte die Erinnerung zurück, das Feuer, der Absturz, Carmen…
Ich setzte mich auf. Augenscheinlich war ich ohne größere Verletzungen davon gekommen. Das musste ein Wunder sein! Am Kopf hatte ich lediglich eine Platzwunde davon getragen und mein rechter Fußknöchel schmerzte ganz gewaltig. Aber ansonsten war ich vollkommen unverletzt.
Meine Kleidung war bereits von der Sonne getrocknet, aber durch und durch verschmutzt. Ein Ärmel meines Hemdes war tief eingerissen und außerdem fehlte mir der linke Schuh.
Ich wagte es nun ganz aufzustehen. Sofort schoss mir ein stechender Schmerz durch den Knöchel, aber ich blieb trotzdem auf den Beinen. Während ich mich des einzelnen Schuhs entledigte, wanderte mein Blick herum.
Es war Mittagszeit, denn die Sonne stand mittig und strahlend am Himmel. Ich war an einer Insel angeschwemmt worden und abgesehen von dem vielen Treibgut, das vorrangig aus Überresten unseres Linienfliegers bestand, glich die Szenerie dem Inbegriff des Paradieses. Azurblaues Wasser, so weit das Auge reichte, ein Strand, der aus wunderbaren weißem und sehr feinem Sand bestand und hinter mir erstreckte sich ein Palmendschungel in sattem Grün.

Humpelnd hielt ich Ausschau nach weiteren Überlebenden und durchsuchte alles greifbare Treibgut nach Gegenständen, die mir in dieser Lage vielleicht nützlich werden konnten. Ich fand weder das eine, noch das andere. Von weiteren Menschen, tot oder lebendig fehlte jede Spur. Und die Überreste des Flugzeugs waren ausnahmslos nutzloser Müll.
Erschöpft ließ ich mich am Waldrand nieder und schlief schließlich ein.
Dieses Mal wachte ich nicht von alleine auf, sondern wurde unsanft geweckt. Vor mir stand Carmen, die mich mit dem Fuß anstupste. Leider trat sie dabei vor meinen lädierten Knöchel, so dass mir die Tränen in die Augen schossen.
„War ja klar, dass ausgerechnet du hier herumliegst. Hast du noch andere gesehen?“ Blinzelnd sah ich sie an. Sie war immer noch die Unfreundlichkeit in Person, und das ob dieser außergewöhnlichen Lage. Ihr Kleid war dreckverschmutzt, aber abgesehen davon, schien alles in bester Ordnung mit ihr zu sein.
„Nein“, entgegnete ich. „Ich habe bisher niemanden gesehen, außer dir. Gott sei Dank hast du überlebt. Geht’s dir gut, ist alles in Ordnung?“
„In Ordnung? Na klar, mein Flugzeug ist abgestürzt, ich bin auf einer Insel gestrandet und der einzige andere Mensch, den ich finde, bist du. Bescheuerte Frage, nichts ist in Ordnung, wie dumm bist du eigentlich?“ Sie drehte sich auf dem nichtvorhandenen Absatz um, denn wie mir jetzt erst auffiel hatte sie ebenfalls keine Schuhe an und stapfte davon.
Ich rappelte mich auf. So schnell es ging, humpelte ich hinter ihr her. Als Carmen das bemerkte, blieb sie noch einmal kurz stehen. „Hau ab. Ich brauche dich nicht, bleib mir gefälligst vom Hals.“ Diese Ansage war eindeutig, auch wenn ich sie absolut unverständlich fand. In so einer Ausnahmesituation sollte man zusammenhalten, oder nicht?
Doch streiten nützte nichts. Bestimmt würde sie schon noch zur Vernunft kommen.
Bevor Carmen mich so schmerzhaft geweckt hatte, musste ich offensichtlich mehrere Stunden geschlafen haben, denn inzwischen stand die Sonne sehr viel tiefer am Horizont.

Ich beschloss noch einmal den Strand abzusuchen. Inzwischen war das meiste Treibgut jedoch weggeschwemmt worden. Ich fand lediglich eine armlange Metallschiene, die Teil von einem kleinen Stück Holzverkleidung war. Sie kam der Definition eines Werkzeuges am nächsten, daher nahm ich sie mit.
Es wurde immer dunkler und so kehrte ich zu meiner Stelle im Wald zurück. Von Carmen fehlte jede Spur. Ich begann mir Sorgen zu machen und beschloss nachzusehen, ob mit ihr alles in Ordnung war. Meine Metallschiene wie ein Schwert umklammernd, machte ich mich auf, um sie zu suchen. Mein Knöchel protestierte angesichts der fortwährenden Belastung, doch ich biss die Zähne zusammen.

Ich musste ungefähr einen Kilometer gelaufen sein, als ich den typischen Geruch eines Feuers wahrnahm. Meiner Nase folgend lief ich mit neuem Mut los und tatsächlich, es dauerte nicht lange und ich hatte Carmen gefunden. Mir blieb der Mund vor Staunen offen stehen. Sie hatte sich ebenfalls am Waldrand niedergelassen - aber wie! Orange leuchtete mir ein aufgebautes kleines Notfallzelt entgegen. Davor prasselte ein kleines Lagerfeuer, welches in einer Sandkuhle entfacht worden wahr. Und auf einer modern aussehenden Kiste, die aus dem Flugzeug stammen musste, saß Carmen und aß etwas. Erst jetzt bemerkte ich, wie hungrig ich war. Ich trat näher. Sie bemerkte mich und ihr schroffer Ton ließ mich zusammenzucken. „Was willst du hier?“
„Ich wollte nach dir sehen…“. Müde sank ich am Feuer nieder. „Was isst du da?“ Carmen erhob sich von ihrer Kiste und deutete auf die Beschriftung des Deckels. „Emergency Package“ stand dort mit großen schwarzen Buchstaben aufgedruckt.
„Oh!“ entfuhr es mir. „Du hast ja ein Glück. Kann ich vielleicht auch etwas zu essen bekommen?“
Ich hatte schon die Hand ausgestreckt, doch Carmen schlug sie verärgert beiseite. Während ich überrascht innehielt, fauchte sie mich an: „Du spinnst wohl. Such dir eine eigene Kiste! Und jetzt hau ab, ich will dich hier nicht.“

Mir verschlug es die Sprache. Dann stieg Zorn in mir auf. „Sag mal, was ist dein Problem?“, platzte es aus mir heraus. „Wir sind hier abgestürzt, wir müssen zusammenhalten. Was ist das für ein kindisches Gehabe?!“. Carmen beeindruckte das offensichtlich gar nicht. „Hau einfach ab! Ich will dich hier nicht, ich habe alles was ich brauche.“
Einen Augenblick lang blieb ich unschlüssig stehen. Körperlich war mir das schlanke Mädchen bei weitem unterlegen. Sollte ich mir einfach nehmen was ich wollte? Doch dann siegte die Vernunft. Sie würde schon noch sehen, wohin dieser Egoismus führen würde. Und zum Betteln war ich ohne Frage zu stolz. Also humpelte ich wütend zu meiner Stelle am Waldrand zurück. Ich war froh, als ich ankam, denn inzwischen war es stockduster.
Leider war es für das Entfachen eines eigenen Feuers zu spät geworden. Auch ein Nachtlager konnte ich nun nicht mehr errichten.
Notgedrungen kauerte ich mich einfach in den Sand und schlang die Arme um mich. Es war kalt, ich war hungrig und erst jetzt wurde mir langsam klar, wie knapp ich dem Tod entkommen war. Ich begann am ganzen Leib zu zittern und mit den Nachtgeräuschen des Dschungels schlief ich irgendwann erschöpft ein.

Am nächsten Morgen wachte ich früh auf. Obwohl ich durchgefroren war und nicht viel geschlafen hatte, war ich voller Tatendrang. Wie konnte eine tropische Nacht so kalt sein? Den heutigen Tag würde ich nutzen, um mir eine notdürftige Unterkunft zu errichten und ein Feuer zu machen. Carmen sollte mir gestohlen bleiben, diese Schnepfe würde in so einer Situation bestimmt nicht so gut zurechtkommen wie ich.
Wieder suchte ich den Strand ab, doch inzwischen waren fast alle Trümmerteile fortgespült. Mein knurrender Magen ließ meine Laune schnell wieder sinken und so machte ich mich auf, um im Palmenwald nach etwas Essbarem Ausschau zu halten. Ich fand nach mühseligem Suchen ein paar mir unbekannte Früchte und Beeren. Sie schmeckten zwar süß und gut, jedoch blieb der fade Beigeschmack der Sorge, dass sie für mich unverträglich oder gar giftig sein könnten. Aber hatte ich denn eine Wahl? Carmen hatte die Notrationen der Emergency Box. Ich dagegen musste sehen, wo ich blieb.
Nachdem ich nun etwas im Magen hatte, beschloss ich erneut nach meinem einzigen Mitmenschen zu schauen und machte mich auf, um Carmen in ihrem Lager zu besuchen.

Ich fand die Stelle am Waldrand ohne größere Probleme wieder. Nach wie vor brannte das Feuer. Ohne mich bemerkbar zu machen schlich ich näher. Da kam sie auch schon aus ihrem Zelt. Sie entdeckte mich auf Anhieb. „Du schon wieder.“
„Ähhh, guten Morgen.“ grüßte ich. „Wie war die Nacht, was hast du vor?“
„Das geht dich nichts an.“ Doch dann fügte sie ihrer Antwort noch etwas hinzu. „Es werden sicherlich bald Such- und Rettungsmannschaften kommen. Ich werde einfach warten.“
Immerhin hatte sie mich nicht gleich wieder fortgejagt.
„Wie hast du das Feuer anbekommen? Kann ich nicht vielleicht doch etwas von den Notrationen abhaben? Und etwas Wasser?“
Prompt zeigte sie mir einen Vogel. „In der Kiste war ein Feuerzeug. Das bekommst du sicher nicht von mir. Und das Essen hebe ich lieber auf, wer weiß wie lange ich hier festsitze.“
Offensichtlich war sie immer noch unkooperativ. Verärgert wandte ich mich ab und ging.

Ich versuchte meine Unterkunft auszubauen. Mit Hilfe meiner Metallschiene hackte ich kleine Äste ab und baute mir einen ziemlich baufälligen Windschutz. Dann sammelte ich Blätter für ein Nachtlager und zu guter Letzt versuchte ich mich daran, ein Feuer zu machen.
Etwas abseits vom Strand hatte das Geäst eines vor langer Zeit angespülten alten Baumes gelegen. Die Hitze der Sonne hatte das Holz spröde werden lassen. Im laufe der Zeit war es bleich geworden und völlig ausgetrocknet. Ich hatte mir einen dünnen und einen etwas dickeren Zweig mitgebracht. In den dickeren Zweig schlug ich mit meiner Metallschiene eine kleine Ausbuchtung in die ich etwas getrocknetes Gras hinein drückte, welches ebenfalls von dem Geäst stammte. Nun noch die Spitze des dünnen Zweiges in die Ausbuchtung gestellt und dann begann ich in bester Indianer-Manier den kleinen Holzpfahl zwischen meinen Handflächen hin und her zu reiben. Bereits nach kurzer Zeit glimmte ein Funke auf. Leider hatte ich mich getäuscht und so rieb ich weiter. Die Zeit verging. Mein Optimismus auch. Nach langem Kampf gab ich letztendlich auf. Ich musste stundenlang gerieben haben, meine Hände waren rot und hatten schon Schwielen. Auch die Arme taten mir weh. Welche Idioten verbreiteten im Fernsehen, dass man auf diese Art und Weise Feuer machen kann? So langsam wurde ich richtig wütend auf Carmen und ihr bescheuertes Feuerzeug. Frustriert legte ich mich auf mein armselig zurechtgemachtes Bett. Mein Knöchel schmerzte immer noch. Es war wieder Abend geworden und genauso frierend und hungrig wie die Nacht zuvor schlief ich ein.

* * *

Die Zeit verging und aus Tagen wurden Wochen. Inzwischen hatte ich mich recht gut an das Leben auf der Insel angepasst. Auch die Knöchelverstauchung hatte ich längst überwunden.
Gezwungener Maßen lernte ich schnell. Meine Metallschiene hatte ich mit Steinen geschliffen und so ein brauchbares, langes Messer erhalten.
Im Palmenwald war ich auf einen kleinen Fluss gestoßen, der mich mit Trinkwasser und ab und zu auch mit einem Fisch versorgte.
Außerordentlich stolz war ich auf das schmucke kleine Häuschen, das ich mir gebaut hatte. Ich lernte aus getrockneten Lianen starke Schnüre zu flechten, mit denen ich dicke Bambusstangen zusammenband und so winddichte Wände herstellte. Sogar eine klappbare Tür und Fenster samt Fensterläden waren vorhanden. Für mein Bambushäuschen hatte ich mit Bedacht einen Standort ausgewählt, an dem sich Strand und Fluss sehr nahe kamen. Somit stand es am Waldrand, mit stetigem Frischwasser im Rücken und dem herrlichen Sandstrand vor der Tür.
Ich wusste inzwischen, welche Beeren und Früchte ich essen konnte und manchmal erlegte ich sogar ein kleines Tier. Nie hätte ich geglaubt, wie viel Freude es bereiten kann, wenn eine mühevoll aufgebaute Falle erfolgreich funktioniert. Und auch das Feuer machen ging mir inzwischen routiniert und schnell von der Hand.
Die Nächte waren immer noch kalt, doch tagsüber wurde es so heiß, dass ich mit nacktem Oberköper herumlief. Meine Boxershorts reichte mir als Bekleidung völlig aus.

Das Verhältnis zu Carmen dagegen hatte sich überhaupt nicht verändert. Sie wollte nach wie vor nichts mit mir zu tun haben. Lediglich an dem Fluss war sie interessiert gewesen und den hatte ich ihr gern gezeigt. Ich hatte auf Dankbarkeit und ein besseres Verhältnis gehofft, aber sie blieb abweisend und zickig. Wie konnte ein so schönes Wesen nur so ausdauernd gemein sein?
Abgesehen von diesem Umstand, begann ich mich auf unserer Insel richtig wohl zu fühlen. Unser kleines Fleckchen Land musste sehr weit vorgelagert liegen, vielleicht handelte es sich um den äußersten Vorposten eines Archipels. Es war mein eigenes kleines Reich, nun ja und natürlich das von Carmen. Doch nicht ein Schiff hatte ich gesichtet, oder jemals irgendein anderes Anzeichen von Zivilisation. Letztendlich kam ich zu dem Schluss, dass unser Flugzeug nicht nur ein kaputtes Triebwerk gehabt hatte, sondern auch die Navigationssysteme einen Schaden gehabt haben mussten. Denn offensichtlich lag die Insel weit entfernt von jeglichen normalen Flugrouten. Anders war es nicht zu erklären, dass ich nie ein Flugzeug oder einen Kondensstreifen am Himmel ausmachen konnte.

Fernab von den Sorgen und Nöten, die die moderne Zivilisation mit sich brachte, wurde ich mehr und mehr zum Naturburschen und begann mit Freude und Liebe zum Detail mein Bambushäuschen, das Mobiliar und meine Lebensqualität an sich zu verfeinern und verbessern. Sogar einen Stuhl und den dazugehörigen Tisch hatte ich vor kurzem erst fertig gestellt.
Eines Nachts wachte ich auf. Neben den üblichen Geräuschen der Natur hatte sich ein Laut gemischt, der mich aufgeschreckt hatte. Ich stand auf. Eigentlich verließ ich nur ungern die gemütliche Nachtnische, die ich mir gezimmert hatte, aber für den Fall, dass sich ein wildes Tier in mein Häuschen verirrt hatte, musste ich unbedingt nachsehen.

Ein Tier fand ich nicht, aber auf meinem Tisch herrschte eine Unordnung, die ich so nicht hinterlassen hatte. Früchte lagen verstreut herum und das gegrillte Stückchen Fleisch, das ich mit meinem ehemaligen Hemd abgedeckt hatte, war verschwunden. Beim zweiten Blick merkte ich, dass auch ein paar Früchte fehlten. Ich kontrollierte den Haken meiner Tür, der aber fein säuberlich in der Öse steckte. Ein Tier konnte das nicht gewesen sein. Entweder war auf der Insel nun also auch noch ein Poltergeist gestrandet – oder… Carmen musste hier gewesen sein.
Ein Gefühl von Stolz erfüllte mich. Sie hatte also meine Hütte gesehen. Sonst war sie nie hereingekommen. Nun aber musste auch sie bemerkt haben, mit wie viel Geschick und Mühe das Häuschen hergerichtet war.
Dann wurde ich nachdenklich. Wieso hatte sie mich heimlich besucht? Der Hunger hatte sie wohl dazu getrieben. Waren ihre Notrationen, die bestimmt fürchterlich schmecken mussten, vielleicht zur Neige gegangen? Ich legte mich wieder in meine Lagerstätte und beschloss, Carmen am nächsten Tag zu besuchen. Noch immer schaute ich sie gerne an, ich glaube, ich hatte mich ein wenig in sie verliebt. Wie sonst war meine Vorfreude zu erklären, wenn sich die Gelegenheit ergab das hübsche Mädchen zu sehen. Mein Herz klopfte. Mit den Gedanken bei ihr, schlief ich wieder ein.

Am nächsten Morgen setzte ich mein Vorhaben in die Tat um. Gut gelaunt und freundlich suchte ich sie auf, doch sie war abweisend wie eh und je. Bei ihren üblichen Beleidigungen und Beschimpfungen, war an eine Frage an die Geschehnisse der vergangenen Nacht nicht zu denken.
Ich bemerkte jedoch, dass ausnahmsweise einmal kein Feuer vor ihrem Zelt brannte. Und das Zelt war eigentlich auch keines mehr. Der Sturm von vorletzter Nacht hatte es völlig zerrupft und zerfleddert. Trotzdem benahm sich Carmen, als wäre sie eine Königin in ihrem Palast.
Missmutig und mal wieder mit einer gehörigen Portion Wut im Bauch kehrte ich heim. Nein, so eine Behandlung…, bei allem Verständnis, irgendwann einmal ist der Punkt erreicht wo die Grenze der Toleranz überschritten wird. Mit dieser Zicke war nicht auszukommen. Ich beschloss sie fortan ebenfalls links liegen zu lassen. Auge um Auge.

Es wurde Abend. Ich ließ das Feuer in der Kochecke wie immer bis auf eine kleine Flamme für die Nacht niederbrennen und legte mich schlafen. Dann kam mir der Gedanke, dass sich Carmen eventuell erneut ins Haus schleichen könnte. Also beschloss ich wach zu bleiben, um sie gegebenenfalls auf frischer Tat zu ertappen.
Lange musste ich ausharren. Aber mein Warten wurde belohnt. Es tat sich etwas an meiner Tür. Leise, mit katzenhaften und doch anmutigen Bewegungen schlich Carmen herein. Mit einem Ruck setzte ich mich auf.
Sie erschrak fürchterlich, und noch ehe ich etwas sagen konnte, war sie auch schon zur Tür herausgestürmt. Für diese Nacht war die Aufregung also vorbei. Ich lehnte mich wieder zurück. Sie glaubte bestimmt, ich würde ihr morgen erneut einen Freundschaftsbesuch abstatten. Aber da hatte sie sich geirrt. Mit mir nicht mehr! Nur, was sollten diese nächtlichen Einbrüche? Wenn Sie Essen brauchte, warum fragte sie dann nicht einfach? Über diese Gedanken nickte ich schließlich ein.

Ein seltsames Gefühl weckte mich auf. Es musste immer noch Nacht sein, das merkte ich sofort. Ich öffnete zuerst das linke Auge, dann das rechte. Sofort warf ich mich auf die Seite. Dort wo sich eben noch mein Kopf befunden hatte, sauste jetzt ein dicker Knüppel nieder. Wie eine Todesgöttin stand Carmen vor mir, die Entschlossenheit in ihren Augen blitzte mich im Flammenschein an. Gerade holte sie zu einem neuen Schlag aus. Ich fuhr hoch und warf mich auf sie. Nach einem kurzen, aber umso heftigeren Kampf entwand ich ihr den Knüppel. Da sie immer noch nach mir trat, schlug und kratze, hielt ich sie mit aller Macht auf dem Boden fest. Sie schnaufte vor Anstrengung.
Ich war unschlüssig. Was sollte ich tun? Wenn ich sie jetzt laufen ließ, konnte ich mir nicht sicher sein, ob sie mich bei der nächsten Gelegenheit nicht wieder überfallen würde. Und ihrem wütenden Gesichtsausdruck nach, war das kein unrealistischer Gedanke. Wer weiß, ob ich das nächste Mal erneut rechtzeitig aufwachte. Warum nur hasste sie mich so? Beschimpfungen sind eine Sache, ein tätlicher Überfall ist etwas ganz anderes.

Extreme Situationen erfordern extreme Maßnahmen. Also schleppte und zerrte ich Carmen, die sich immer noch wie eine Wildkatze wehrte, und auf keine meiner Fragen reagierte, kurzerhand zu meinem selbstgebauten Regal und schnappte mir zwei meiner geflochtenen Lianenstricke.
Die Arbeit in der Natur hatte mir körperlich sehr gut getan. Bereits in der zivilisierten Welt war ich eher der athletische Typ gewesen. Doch nun war ich muskulöser als je zuvor. Carmen dagegen war nach wie vor schlank und zierlich. Obwohl ich deutlich mehr Kraft hatte als sie, schaffte ich es nur mit viel Mühe, ihre schmalen Handgelenke aneinander zu fesseln. Ihr Schreien und Knurren beeindruckte mich dagegen nicht. Zum Schluss setzte ich mich auf ihre Beine und band mit dem zweiten Strick auch die Fußgelenke zusammen. Das ging bedeutend leichter, da Carmen ihre gefesselten Hände nur noch benutzen konnte, um vehement auf meinen Rücken einzuprügeln, was mir aber nicht viel ausmachte.
Endlich konnte ich kurz verschnaufen. Meine Gefangene merkte, dass sie nichts mehr ausrichten konnte und hielt inne.

„Was sollte das werden?“, wandte ich mich an sie. Statt einer Antwort hüllte sie sich in stolzes Schweigen. Stirnrunzelnd sah ich sie an. „Du hättest mich ernsthaft verletzen können, ist dir das klar?“ Wieder bekam ich keine Antwort. Stumm starrte sie nur zum Dach meiner kleinen Hütte. Ich merkte, dass eine weitere Befragung keinen Sinn machte. Aus ihr war nichts heraus zu bekommen.
Kurz überlegte ich, ob ich sie in meinem Nachtlager schlafen lassen sollte, schließlich war das bedeutend bequemer als der hart getretene Boden. Andererseits, wieso sollte ich dafür eine unbequeme Nacht verbringen, für diese gewalttätige gemeine Einbrecherin? Das war irgendwo auch nicht einzusehen.
Dann kam mir die Idee zu einem hervorragenden Kompromiss. Ich hob Carmen auf, die sich noch immer ausschwieg und trug sie behutsam zu meiner Schlafnische. Vorsichtig legte ich sie in das weiche moosähnliche Gras, das den Untergrund bildete. Eigentlich passte das gut zusammen, das Flackern des kleinen Nachtfeuers, mein Naturbett, sie… - Na ja, die Fesseln störten etwas den romantischen Anblick.

Ihre Augen wurden groß, als ich mich neben ihr niederließ. Ich legte mich auf die Seite, das Gesicht ihr zugewandt, um dann wie selbstverständlich den Arm um sie zu legen. Es fühlte sich so unglaublich gut an. Diese Nähe und diese Wärme – nun war mein ganz persönliches Paradies perfekt. Schweigend schauten wir uns an. Ich beobachtete sie noch eine ganze Weile, aber sie blieb regungslos. Schließlich schloss ich die Augen und tat so, als wäre ich eingeschlafen. In Wirklichkeit wollte ich diese gemeinsame Nacht so lange wie möglich genießen – und natürlich wissen, ob sie einen Fluchtversuch wagen würde, sobald sie sich unbeobachtet fühlte. Kurz huschte mir der Gedanke durch den Kopf, dass ich es nun nicht rechtzeitig mitbekommen würde, wenn sie mir jetzt ins Gesicht oder in den Arm biss. Aber dann dachte ich an diesen seltsamen Ausdruck in ihren dunkelblauen Augen, als ich mich zu ihr legte. Da war nicht mehr diese Wut zu sehen, wie beim Kampf zuvor. Nein, vielmehr wirkte dieser Ausdruck schutzsuchend oder gar verletzlich. Vielleicht hatte ich mir das aber auch nur eingebildet. Ich musste mir mit aller Macht in Erinnerung rufen, dass sie mich noch vorhin erst, gewaltsam niederschlagen wollte.
Nun, der morgige Tag würde hoffentlich Antworten und Frieden bringen. So konnte es jedenfalls nicht weitergehen.

Trotz der kurzen und sehr aufregenden Nacht wachte ich früh am Morgen auf.
Einerseits hatte ich aufgrund einer ungewohnten Schlafhaltung Rückenschmerzen, andererseits fühlte sich mein Lager irgendwie viel besser an als sonst. Mit einem Schlag war ich hellwach. War Carmen noch da? Ja, da lag sie, nach wie vor gefesselt. Ihr Atem ging ruhig und gleichmäßig. Ihre Augen waren geschlossen und ihr hübsches Antlitz war mir zugewandt. Ich konnte mich an ihr einfach nicht satt sehen. Behutsam strich ich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Mein Blick wanderte an ihren Körper hinunter…
  • Geschrieben von Peter_Carsten
  • Veröffentlicht am 02.03.2012
  • Gelesen: 7199 mal

Anmerkungen vom Autor

Die Geschichte geht natürlich noch weiter. Falls du wissen möchtest, wie die Geschichte ausgeht, sende ich dir diese gerne (kostenlos und virenfrei) per E-Mail im PDF-Format zu. Im Gegenzug würde ich mich über ein Feedback auf dieser Plattform oder gerne auch per E-Mail freuen.

LG, Peter_Carsten

eMail: T_K_K_G(at)web.de


©2011 by Peter_Carsten
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Kommentare

  • LeBierre (nicht registriert) 02.03.2012 17:02

    Hallo,

    Ich muss mich mal revanchieren. Die Geschichte ist sehr schön. Ich habe mich über die Überleitungen gewundert. Das kam mir sehr bekannt vor. ich habe auch schon oft mit Einschlafszenen und Tagträumen/ Träumen gearbeitet. Sehr schöne Handlung. Ich muss allerdings dazu sagen, dass ich kaum zum Lesen komme.

    Hier wurde es eben interessant und ich habe mich hinreißen lassen. Titelwahl gefällt mir ebenfalls.

    Lg Les

  • Tyrael05.03.2012 14:53

    Hallo, ich bins wieder. Ist das ein neuer Versuch wegen den wenigen Antworten auf deine Geschichte?

    Habe sie mir nun ein 2. mal ganz durchgelesen, wobei mir der Teil 2 abgeht.

    Sehr schön geschrieben, ich hoffe dass diesmal mehr Resonanz für dich zurück kommt. Würde mich (wieder) über Teil 2 und mehr freuen!

  • Peter_Carsten05.03.2012 22:14

    Profilbild von Peter_Carsten

    Hallo Tyrael,

    ja es ist ein neuer Versuch bezüglich Resonanz. Ich habe die Geschichte jetzt auf verschiedenen Plattformen, in der jetzigen Form eingestellt.

    Hätte ich sie hier, auf Orion "komplett" gelassen, hätte das mit der "Anleseversion" keinen Sinn gemacht, Google-Suche sei Dank.


    Liebe Grüße,

    Peter_Carsten

  • Tyrael06.03.2012 22:39

    Gibt es also irgendwo noch die möglichkeit die ganze geschichte zu lesen, bzw gibts da auch mehr als Teil1 und 2 mittlerweile?

  • Peter_Carsten07.03.2012 22:39

    Profilbild von Peter_Carsten

    Hallo Tyrael,

    ich sende dir die komplette Geschichte (wie du sie schon kennst) bei Interesse gerne als PDF zu. Sie ist in sich abgeschlossen, also kein Mehrteiler.

    LG, Peter

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