Erotische Geschichten

Bitte melden Sie sich an

Nr.256 Rom 1938 Wer entjungfert Roman? Contessa?

3,7 von 5 Sternen
Aus Tagebuch eines Casanovas. Erschienen 1977 im Stephenson Verlag Seite 57

Fortsetzung.... von Nr 254,255. Juni 1944: Im Nachtzug Berlin/München lernt Roman Macek die scheue Marlies kennen und lieben. Mit seiner "Liebeskunst, die er in Rom "lernte" "erweckt" er Marlies. Ihre beste Freundin Anni verführt Roman sofort mit ihrer agressiven Sexualität. München ist männerleer....keine Auswahl!

Marlies drückte Roman beim Abschied an der Haustür einen Zettel in die Hand, den er "nach Anni" öffnet:

"Morgen , 11 Uhr Cafe H. Mama zu Hause! Ich liebe dich. M (= Marlies)" Der Zettel ist zerdrückt, die Schrift kaum leserlich. Sie ist bezaubernd. Und Anni hat meine Telefonnummer.
Zwei Frauen . Wann gab es das schon mal?



Doch! Vor sechs Jahren, einer Ewigkeit, im römischen Frühling. Meine ersten erotischen Erfahrungen: Ines und Marisa. Unbeschwerte, heitere Erfahrungen. Oder kommt es mir heute so vor, wie ich damals gerade achtzehn Jahre alt war?

Papa schickte mich auf die Akademie Santa Cecilia. "Als zukünftiger Kapellmeister mußt du Italienisch können. Junge, sonst weißt du nie, was du eigentlich dirigierst. Aber paß auf mit den Weibern. Du sollst kein Heiliger sein, aber laß dich nicht einfangen. Italienerinnen wollen sofort geheiratet werden. Denk an deine Laufbahn."

Was wußte Papa vom römischen Frühling?
Ende März war ich angekommen, hatte mich mit guten Vorsätzen angemeldet. Doch jeder Faust findet seinen Mephisto....

Er hielt sich versteckt in dem betäubenden Duft aus Gärten und Parks, in den Römerinnen, die an mir vorbeischritten, immer darauf bedacht, ihre Schönheit zur Schau zu stellen. Wiegende Hüften, leichte Kleider, Brüste unter weicher Seide. Ihr Parfüm mischte sich in den Straßen mit dem Kaffeedunst aus tausend Espressobars und dem Gestank der Busse, stagnierte sonnenerhitzt träge über der Stadt, benebelte die Sinne, löste unbekannte Leichtigkeit und Sehnsucht aus.

Unter den bunten Markisen der Cafes in der Via Veneto staunte ich den Frauen nach. Unerreichbare Geschöpfe, hinreißend wie die Atmosphäre der Stadt. Versteckte Koketterie, ein Blick, ein Lächeln: all das erregte mich, ließ meine Phantasie aufblühen. Ich sah sie nackt unter der grellen Aprilsonne, wie sie mich umgirrten, reizten, verschlangen. Noch nie hatte ich eine Frau besessen. Ein paar ungeschickte Küsse mit gleichaltrigen Mädchen, unerfahren wie ich, das war alles. Meine Freunde gingen ins Bordell, aber ich war schüchern. Ein Träumer. Ein Blinder, der nach Licht tastet und im Dunklen verharrt.

Damals im römischen Frühling 1938, war ich berauscht von Farben, Formen und Düften. Sie drängten, das geheimnisvolle Verlangen endlich zu befriedigen. Mein schlaksiger Körper, meine sinne und Wünschevibrierten, sehnten sich Tag und Nacht nach Erfüllung und Leben. Verzweifelt schwor ich mir, nicht früher das Studium ernsthaft aufzunehmen, ehe mich nicht wenigstens einmal die Wärme eines Frauenschoßes umfangen hätte.

In der Pension nahe der Piazza Fiume, wo mir mein Professor ein Zimmer vermittelt hatte ( die Inhaberin war eine entfernte, ältere Kusine von ihm) , rührte ich kaum das Klavier an. Morgens eine halbe Stunde Fingerübungen, eine halbe Stunde Bach. Innere Unruhe trieb mich aus dem Hause. Ziellos irrte ich durch die Straßen, nahm zwar die Mahlzeiten in der Pension ein, doch dann setzte ich die sinnlosen Wanderungen wieder fort, Stunde um Stunde, Tag und Nacht, und kehrte am Morgen, wenn die Stadt für kurze Zeit in Schlaf versank, entmutigt nach Hause zurück. Verbissen lernte ich die Sprache, und dank vorausgegangenem Lateinstudium gelang es mir verhältnismäßig rasch, mich zu verständigen. Doch tagsüber, in den Straßencafes ließ ich mein Grammatikbuch oft sinken, schielte auf vorbeidefilierende Frauenschenkel und lauschte den exotisch brüchig-heisernen Stimmen der Römerijnen. (Woraus sicher meine bleibende Vorliebe für tiefe, heisere Frauenstimmen resultiert.)
Nachts, auf dem Heimweg. lauschte ich dem Lärm der Spieler aus den Billiardsälen, auf die Stille, die dem Klick des Queues gegen die Kugel vorangeht, auf das Rauschen der Fontänen, auf die Schritte eilig kasernenwärts strebender Soldaten und auf das Flüstern versteckter Liebespaare. Mit einem Mädchen anzubändelt, fürchtete ich mich. In meiner Phantasie tummelten sich Väter und Brüder, die mich mit gezücktem Messer zum Traualtar trieben, um die Familienehre zu retten und den Schaden wiedergutzumachen.

Ich bemerkte sehr wohl, daß Antonietta, ein hübsches, rundliches Dienstmädchen aus Friaul, jedesmal aus der benachbarten Wohnungstür gestürzt kam, wenn ich morgens den Aufzug betrat, daß sie mich vom vierten Stock bis zum Paterrre bewunderd verfolgte und daß sie mit ihren Freundinnen über den fremden "Biondino" zwitscherte. Doch die plump gezeigte Sympahtie jagte mir nichts als Angst ein, und ich fühlte mich wie gelähmt vor dem hübschen, jungen Ding. Ansehnliche Nutten, die in den Cafes und Bars immmer zu finden waren, fürchtete ich noch mehr, und ich floh, als mich eine freche Wienerin auffoderte, ihr zu folgen. Und ich erinnerte mich an Papas wohlmeinende Abschiedsworte am Zug: "Am besten sind verheiratete Frauen, natürlich nur, wenn man sich nicht erwischen läßt."

Kurz nach meiner Ankunft quartierte sich Anita aus Vicenza in der Pension ein, ein sechsundzwanzigjähriges Mädchen, brünett, gut gebaut, mit hübschen Gesicht und hervorstehenden Beckenknochen, die Sekretärin eines faschistischen Syndikats und Sportlerin. Sie hatte es vom ersten Tag an auf mich abgesehen. Augenzwinkernd beneidete sie deutsche Mädchen, die nach vorehelichem Verkehr immer noch einen Mann finden, und vertraute mir an, daß sie stets bei offener Zimmertür schliefe. Je deutlicher ihre Anträge wurden, um so mehr erschreckte mich ihre blecherne Stimme, die war einfach zuviel für einen musikalischen Menschen .

Nicht einmal die Garantie, mich hinterher nicht heiraten zu wollen, konnte mich verlocken. Unsere Freundschaft war dazu veruteilt, platonisch zu bleiben, wenngleich ich Anita zusammen mit anderen Studenten oft ins Kino begleitete oder ins Casino delle Rose mit ihr zum Tanzen ging. Jedoch vermied ich jedes Alleinsein mit ihr.
Anfang Mai trafen sich die "Achsenpartner" in Rom. Großes Tamtam, Uniformen, Gäste überall. Auch Anita bekam Besuch, aus Vicenza. Unvermutet saß mir beim Nachtessen ein glutäugiges Mädchen genüber mit Grübchen am Kinn, Grübchen beim Lachen in den Wangen und antik gedrehten Locken an den Schläfen. Ihr schlanker Körper, die kleinen Brüste, die schlaksigen Beine zogen mich in ihren Bann: Ines....


Sie wollte Rom kennenlernen, zwitscherte unternehmungslustig über den Tisch hinweg und ließ mich nicht aus den Augen. Dem Aussehen nach schien sie höchstens siebzehn, war aber tatsächlich vier Jahre älter als ich. Anita mußte ihr schon von mir erzählt haben. Ohne jede Scheu machte sie mir Komplimente. "Che bel ragazzo", rief sie immer wieder, und das im voll besetzten Eßsaal. Ich wurde rot vor Verlegenheit. was sie mit prustendem Lachen notierte wodurch sich meine Schüchternheit noch erhöhte.

Bald gewöhnte ich mich an den scherzenden Ton und frager sie mit unschuldigem Blick, ob sie ihre Türe auch nachts offen ließ wie Anita.

"Non lo so ancoro, non lo dico. Provit!" Mein musikalisches Gehör, auf solche Zwischentöne noch nicht genügend geschult, konnte die kokette Wendung nicht analysieren.

Nach dem Essen wollten die Jungen gemeinsam ins Kino. "Kommen Sie mit, Romanino?" fragte Ines zwinkernd.
Übermütig hakte sie sich bei mir unter, blieb hinter den anderen zurück, zog mich mit sich, schlug allerlei Umwege ein und ließ die anderen auf uns warten. Am Portico der Piazza Esedra, in der Nähe des Kinos, verstecken wir uns hinter einer Säule, und während sie nach den anderen ausspähte, drückte sie meinen Arm gegen ihren Körper, streifte mit ihren Locken meine Wange. Als sie merkte, dass die Freunde uns nicht sahen, gab sie mir in kindlicher Freude einen flüchtigen Kuß und fragte: "Gefall ich dir?"
"Ja", stammelte ich. Mir wurde heiß, weil mir Papas Warnung einfiel.
"Du gefällst mir sehr gut", lachte sie und riß mich unter dem Hallo der Freunde, die schon glaubten, wir wären eigene Wege gegangen, hinter der Säule hervor.

"Ines hat anscheinend mehr Erfolg als ich ", schmetterte Anita mit Trompetenstimme vor dem Kinoeingang.

Im dunklen Zuschauerraum rückte Ines so nahe an mich heran, daß ich die Wärme ihres Körpers spürte. Sie hielt meine Hand, ließ das Bein wie zufällig an meinem Schenkel vorbeigleiten und warf mir verliebte Blicke zu.
Doch mein nordisch bestimmtes Mißtrauen und meine Schwerfälligkeit leisteten Widerstand. Nicht zuletzt stimmte mich der Film "Das letzte Abenteuer des Don Giovanni" mißmutig, da ich noch nicht einmal mein "Erstes" bestanden hatte. Deshalb freute ich mich, als die Vorstellung beendet war.

Ines ließ sich durch meine Schüchternheit nicht aufhalten. An der Esedrafontäne *******e sie mir mit der Bermerkung "Svegliati, Barbaro" (wach auf du Barbar) Wasser ins Gesicht. Hinter den Thermen des Diokletian zog sie mich auf einen einsamen Weg, schlang die Arme um mich und drang mit flinker Zunge in meinen Mund ein. Dann riß sie sich lachend los.

In der Pension trafen wir die Freunde wieder, wünschten uns gute Nacht und gingen mit fröhlichem Gelächter auseinander.

"Vielleicht lass ich mein Zimmer auf, Romanino, schlaf gut", rief sie mir scherzhaft nach, ehe sie in ihrem Zimmer, am gegenüberliegenden Ende des Korridors verschwand.

"Die hat aber eine cotta", flüsterte mein Freund, "ich, an deiner Stelle würde...." Er schnalzte mit der Zunge.
Ich wußte schon, was er tun würde.

Auf Stunden wälzte ich mich schlaflos im Bett. Die letzten Unterhaltungen später Heimkehrer waren längst verhallt.
Nur das Wasser des Brunnens auf der Straße durchrieselte monoton die Nacht. Qualvolle Kämpfe zermarterten meinen Körper. Am Ende siegte weder mein Verlangen noch die Sehnsucht, sondern Papa. Gegen Morgen sank ich in bleiernen Schlaf, wachte spät auf, frühstückte auf dem Zimmer und schlich aus dem Haus.

Mit meinen Minderwertigkeitskomplexen beladen setzte ich mich verdrossen vors "Golden Gate" in der Via Veneto und bestellte einen Wermutsoda. Es war noch nichts los. Lange starrte ich ärgerlich vor mich hin. Erst gegen Mittag schob sich der Strom eleganter Flanierer am Cafe vorbei. Verhalten maliziös wurde der Staatsbesuch des Braunauers diskutiert. Er hatte inzwischen die Ewige Stadt verlassen, um sich von seinem Kollegen zwei Tage lang die italienische Flotte im Golf von Gaeta vorführen zu lassen.

Am Tischchen hinter mir setzten sich zwei Paare nieder und bestellten Aperitifs. Gesprächsfetzen drangen an mein Ohr. Eine Männerstimme kam mir bekannt vor, und da ich mich verlassen fühlte, wandte ich den Kopf. Es war G., der Chefredakteur eines Witzblattes, den ich über meinen Professor flüchtig kennengelernt hatte, in Begleitung seiner Frau, einer aufgedonnerten Wasserstoffblondine, und einem soignierten Herren. Die vierte in der Runde drehte mir den Rücken zu. Der Herr war zweifellos Conte C., von dem man in Rom wußte, daß er der ständige Gefährte der Redakteursgattin war, deren Ehemann wiederum absolut eigene Wege ging und der - wie man sehen konnte - sogar freundliche Beziehungen zum Spielgefährten seiner Frau unterhielt. Der Redakteur, Typ des eleganten italienischen Bonvivants, kolossal versiert in unverbindlich-gesellschaftlicher Konversation, tat erfreut.

Comme va, giovanotto", begrüßte er mich, "setzen Sie sich doch zu uns, wenn Sie nichts Besseres vorhaben"
Um auf andere Gedanken zu kommen, nahm ich die Einladung an. G. stellte mich vor. Die junge Frau, von der ich bisher nur den Rücken gesehen hatte, war die Contessa M., Nichte des Grafen. Lässig reichte sie mir die Hand, wobei die Goldreifen am Handgelenk leise aneinander schlugen.

"Signor Macek, ist Deutscher und studiert bei uns Musik", erklärte der Journalist freundlich lächelnd. Ich drehte den Stuhl und hatte die Contessa direkt vor mir.
"Mal was anderes", brummte der Graf.
"Sie wollen sagen, Conte, daß es auch diese Möglichkeit bei uns gibt", griente der Journalist ironisch. Sie lachten.
Die Contessa musterte mich mit einem phlegmatischen Blick.

"Ist doch doppelt paradox, lieber G.", meinte der Graf und kniff dabei das Monokel ein, "ein junger Deutscher, der sich der Kultur verschreibt, und das in Italien."

"Ich möchte Ihnen recht geben", pflichtete ich bei.
"Ecco", ließ der Graf das Monokel fallen, "es gefällt ihm hier. Signor Macek hat sich den römischen Gewohnheiten schon ganz gut angepaßt, wenn er hier auf der Via Veneto sitzt."

Die Contessa sah mich interessiert an, um dann ihre Blicke wieder gelangweilt über die Passanten schweifen zu lassen. Sie war mit ihrem ebenmäßigen Gesicht, dem bräunlich-blassen Teint und den schwarzen, metallblau schimmernden Haaren eine bildschöne Frau. Und sie wußte, daß sie schön war. Sie fazinierte mich, doch die Konversation mit den beiden Herren, die mich gewissermaßen als Unikum betrachteten, nahm mich zu sehr in Anspruch. Ich konnte ihr nicht Aufmerksamkeit widmen, die ich ihr hätte widmen wollen. Sie war anscheinend passiv und träge.

"Was sagen Sie denn dazu?" fragte mich der Graf zwischen zwei Schlucken Campari. "Wozu?"
"Wo leben Sie denn? Zum Besuch des Führers."
"Am besten nichts", antworte ich möglichst trocken.

Sie lachten. Die Contessa entnahm ihrem elegantem Handtäschchen eine Zigarette. Ich beeilte mich höflich, ihr Feuer zu geben. "Aber vielleicht ist das schon zuviel", sagte ich noch.

"Viel zuviel" feixten die Herren.
"Und dich hat er sogar zur Strohwitwe gemacht", wandte sich der Graf an seine Nichte. Sie nickte.
"Was soll man machen?" Ihre Stimme hatte den heiser-gebrochenen Klang der Römerinnen.
"Was für ein anspruchsvoller Gast", witzelte der Journalist.
"Mein Mann ist der einzige, der im Marineministerium Deutsch spricht. Da haben sie ihn natürlich nach Gaeta geschickt."

Sie rauchte, hatte einen geringschätzigen Gesichtsausdruck und spielte mit ihrem goldenen Zigarettenetui.
"Hoffentlich bringt er wenigstens einen Orden mit oder eine Beförderung", stichelte der Onkel.
Sie zuckte desinteressiert die Schultern.

"Befehl ist Befehl", spöttelte die Frau des Journalisten, deren grellrot geschminkte Lippen fettige Abdrücke an ihrem Wermutglas zurückgelassen hatten.

Ihr Mann sah auf die Uhr. "Zeit, essen zu gehen", sagte er und winkte den Kellner heran. Mit lebhaften Gesten und Floskeln fochten die beiden Herren den konventionellen Kampf um die Bezahlung aus, bis der Graf dem Kellner einen Zehnlivreschein hinwarf. Sie standen auf. Nur die Comtessa bleib sitzen.

"Gehst du nicht mit, Marisa", fragte der Onkel.
"Nein, ich bleib noch ein bißchen."
"Wie du willst". Die drei verabschiedeten sich.
Mittagszeit. Langsam leerte sich die Via Veneto. Schweigend saß´ich der Contessa gegenüber und dachte krampfhaft nach, welches Konversationsthema jetzt angebracht wäre. Sie löst das Problem, in dem sie sagte:
"Leisten Sie mir doch ein bißchen Gesllschaft?"
"Gern"

Überraschenderweise wirkte sie gar nicht mehr so phlegmatisch wie vorher. Sie erkundigte sich nach allem: wie es mir in Rom gefiele, wie ich untergebracht sei, über meinen zukünftigen Beruf, Solisten, Konzerte und ähnliches. Bald verlor ich die anfängliche Befangenheit und plauderte sogar sehr angeregt, bis sie meinen Redestrom rigoros unterbrach:
"Haben Sie schon eine Freundin?"

"Nein", sagte ich überrumpelt. "O Dio", rief sie belustigt aus, "Sie werden ja rot! Warum? Sie sind ein hübscher Junge - und Ausländer. Ich könnte mir vorstellen, daß sie doppelte Chancen haben."

Ich wurde kühn und erzählte von Papas weisen Ratschlägen, Sie amüsierte sich königlich darüber.
"Na hören Sie", lachte sie, "so schlimm ist es nun auch wieder nicht." Sie ließ ihren Blick über die in der Mittagssonne ausgestorbene Via Veneto gleiten und fragte "Wollen Sie im Ernst behaupten, in Rom würde nicht geliebt werden?"

"Bis jetzt kann ich mir kein Urteil erlauben."
Sie legte den Kopf schief und warf mir einen abschätzenden Blick zu.
"Sie machen mir nicht den Eindruck, daß Sie noch nie geliebt haben."

Ich schämte mich, die Wahrheit zu bekennen. "Nein, nein", log ich eifrig Sie überging die offensichtliche Lüge mit einem Lächeln, legte begütigend die Hand auf meinen Arm und zog sie wieder zurück. "Entschuldigen Sie, wir sind vom Thema abgekommen. Was halten Sie von Cortot?"

Als ich meine Ansicht über Cortot darlegte und Edwin Fischer als idealen Beethoveninterpreten rühmte, betrachtete sie sich im Spiegel der augklappten Handtasche. Während sie hingegegen das Lippenrot nachzog, sagte sie abwesend: "Fischer? Ja, ja, ausgezeichnet."

Ich fürchtete schon, sie mit meinem Gerede zu langweilen, als sie die Handtasche energisch schloß. "Wollen wir miteinander etwas essen gehen, oder haben Sie etwas Besseres vor?" fragte sie beiläufig.
Glücklicherweise war am Tag zuvor mein Monatsscheck aus Belin eingetroffen. "Es gibt nichts Besseres", erwiderte ich aufrichtig und trat hinter sie, um ihr beim Aufstehen behilflich zu sein und den Stuhl fortzuschieben.

"Ach", sagte sie überrascht, "sind alle Deutschen so höflich?"
Sie war mittelgroß und wirkte sehr zierlich. Ich überragte sie um anderthalb Kopf Das sportliche cremefarbene Kostüm kontrastierte blendend zu den blauschwarzen Haaren und war von ausgesuchter Eleganz. Nach kurzem Überlegen sagte sie mir: " Ich muß zu Hause anrufen. Kommen Sie mit."

Wir betraten den Innenraum vom "Golden Gate".
Der schläfrige Barmann in der goldbetreßten Jacke sprang diensteifrig auf.
"Bitte, Contessa", sagte er und reichte ihr devot den Telefonhörer. Als sie die Nummer gewählt hatte, betrachtete sie gelangweilt die unzähligen Flaschen mit den bunten Etiketten auf den Rgalen.

"Maria?" sagte sie dann. "hör mal zu, ich komme nicht zum Essen. - Ja - Ich bleib heute in der Stadt.... Gut. Hör mal, wolltest du nicht zu den Deinen nach Arriccia?"... Nein, nein, fahr nur. Beeile dich, dann erreichst du noch den um zwei. Vor acht oder neun Uhr brauchst du nicht zurück zu sein. ... Gut. Neun Uhr reicht!" Sie legte den Hörer auf.

Bei aller Schwerfälligkeit war mir jetzt klargeworden, daß sie den Nachmittag mit mir verbringen wollte. Doch unerfahren in weiblicher Psyche, zweifelte ich immer noch, ob dies der von mir herbeigesehnte Tag sei, verließ jedoch an ihrer Seite stolz das "Golden Gate". Die schöne und graziöse Frau, die ich auf funfunzwanzig Jahre höchstens schätzte, hob mein Selbstbewußtsein.

Wir gingen die Via Veneto abwärts. Hochmütig übersah ich die Blicke der wenigen Passanten, die um diese Zeit unterwegs waren. Sie trippelte eng neben mir her und streifte manchmal wie unabsichtlich meine Hüfte, was mich in Verlegenheit setzte.

Traumwandlerisch schritt ich aus und wurde von einer Polizistin ganz in weiß rauh in die Wirklichkeit zurückbefördert, weil ich bei Rot die Straße überqueren wollte. Lachend hielt sie mich fest. Ein Mädchen sah uns neugierig nach.
"Sie wirken hier auf gewisse Weise exotisch", bemerkte Marisa gleichmütig.

An der Piazza Barberini betraten wir eine volkstümliche Trattoria, wo wir ausgezeichnet aßen, Castelliwein tranken und uns angeregt über Musik unterhielten. Sie war eine eifrige Konzertbesucherin, stellte sich heraus. Ihre Gegenwart und der süffige Weißwein machte mich redselig. Als ich bezahlen wollte, griff sie nach ihrer Handtasche: " Ein Student hat nie Reichtümer. Sie sind mein Gast."

"Und ich lasse mich nicht von einer Dame zum Essen einladen." Schließlich ließ sie mich bezahlen und steckte mir dann einen Fünziglireschein in die Tasche. "Die Form ist jetzt gewahrt". Ich schob ihr den Schein wieder zu.
"Dio", sagte sie, "Ihr Deutschen müßt entsetzliche Dickköpfe sein."

"Das ist keine nationale, sonder eine Geschmacksfrage."
"Hören Sie", sagte sie ärgerlich, "ich bin sehr hartnäckig. Wollen Sie mich beleidigen? Dann verabschieden wir uns besser sofort, verstanden?" Erschrocken kapitulierte ich.

Als wir auf die Straße traten, flimmerte die Hitze über dem Asphalt. Sie lächlte. Für sie war die Meinungsverschiedenheit erledeigt. Rom lag in der Siesta. "Und jetzt", fragte ich, "was machen wir jetzt?" Ich weiß nicht, wie ich dazu kam, an San Callisto und die Katakomben zu denken. "Adesso" sagte sie und sah mich fröhlich an, "adesso faciamo l´amore"

Die Piazza Barberini, Rom schwankte unter meinen Füßen.
Sie lächelte mich an, und kniff dabei die Augen listig zusammen. "Sie haben Angst, nicht?"
"Angst vor Ihnen? "Nein, bestimmt nicht!" versicherte ich.
"Gut, dann gehen wir!" sagte sie wie selbstverständlich. Ich faßte ihren Arm und fühlte, wie sich die Muskeln spannten.
"Nicht hier mein Sohn."

Ich ließ sie los "Und? Wo?" "Vedrai." "Im Hotel?"
"Macche, niente albergo. Andiamo al letto."
Unbewußt beschleunigte ich meine Gangart.
"Piano, piano", lachte sie, "ich komme ja nicht mit, und ohne mich geht´s doch nicht."

Wir überquerten die Piazza Colona. Vor dem Palazzo Chigi blieb sie stehen, als müsse sie mir etwas erklären.
"Ich kenne dich nicht, aber du gefällst mir", sagte sie und trippelte weiter.
Wieder verhielt sie nach kurzer Zeit den Schritt.
"Dort ist eine Apotheke. Oder hast du etwas bei dir?"
Ich hatte nicht. "Dann geh", sagte sie.

Ich genierte mich, nahm mich aber zusammen und kaufte Präservative. Sie war ein Stück vorausgegangen. Ich holte sie ein. "Wieviele?" fragte sie. "Ein Dutzend." Sie schüttelte sich vor Lachen. "Überschätzt du dich nicht ein wenig?"
Darauf konnte ich beim besten Willen noch keine Antwort geben.
Verträumt sagte sie: "Es ist schön, sich um diese Zeit zu lieben, am Tage, weißt du? Siehst du den Palazzo dort?"

"Ja" ... "Wir trennen uns hier, damit wir nicht zusammen gesehen werden. Ich gehe durchs Portal und du wartest. Sagen wir fünf Minuten. Dann gehst du neben dem Hause die Gasse entlang und kommst an eine hohe Mauer mit einem verrosteten Gittertor. Man kann es leicht von außen aufriegeln, du brauchst nur die Hand durchzustecken. Dann gehst du links durch den Garten, siehst die Rückseite des Palazzo und bist gleich an einer brauen Eichentür mit geschnitzten Löwenköpfen. Dort mach ich dir auf. Capito?"

Ich wiederholte alles, dann ging sie langsam aufs Portal zu, schloß auf und verschwand.
Nervös spielte ich fünf Minuten lang mit dem Päckchen in meiner Jackentasche und machte dann alles nach Vorschrift.
Die braune Eichentür war nur angelehnt und öffnete sich knarrend. Dahinter im schützenden Dunkel des Hauses, stand sie in einem Morgenmantel aus azurblauer Seide und breitete die Arme aus. Die Seide fiel auseinander. Sie war vollkommen nackt und küßte mich leidenschaftlich.
"Vieni", sagte sie und schloß die Tür ab.

Über ein enge Treppe führte sie mich nach oben, durch weitläufige Räume mit Deckenmalereien im Renaissancestil, voller Kostbarkeiten aus früheren Jahrhunderten, vorbei an Skulpturen und strengblickenden Ahnen, ...auf mich den Fremdlng aus den Wäldern jenseits der Alpen. Durch eine seidenbespannte Tapetentür ließ sie mich in ihr antikes Schlafgemach ein, verriegelte die Tür und zog die schweren Brokatvorhänge zu. Vor dem Baldachinbett warf sie den knisternden Morgenmantel ab. In strahlender Nackheit stand sie vor mir. "Vieni" Ich war am Ziel.

Mit einem Zartgefühl ohnegleichen, mit angeborenem Raffinement lehrte sie mich an diesem gottbegnadeten, trägen römischen Nachmittag in langen Stunden das Lieben. Nichts ließ sie aus. Von allen Wonnen keine. Sie brachte mir das zurückhaltende Piano bei, das Furioso, das köstliche Sostenuto, die Boccata mit den Lippen, die Toccata mit den Fingern, und das süß auslaufende Smorzando. Wenn ich heute die Frauen zärtlich liebe, wenn ich weiß, was sie von einem Mann erwarten, wenn ich verstehe, welche Kostbakeit der schöne Körper einer Frau verbirgt, so verdanke ich es Marisa, einer römischen Aristokratin.

Ich höre noch das fröhliche Geschrei spielender Kinder von der Straße in den stillen Palazzo eindringen. Wie ein unversiegbarer Quell strömte mein Körper zum ersten Mal seine Kraft aus. Entzückt und erstaunt schüttelte Marisa ihren Kopf, als mein Glied in langen Reprisen triumphal zuckte.

" Und ich dachte immer, daß Deutsche roh seien", sagte sie, "aber du bist sehr, sehr lieb, zart und rücksichtsvoll. Und stark...." Dann lächelte sie. "Sag die Wahrheit: hast du schon einmal eine Frau besessen? ......" "Sei la prima"
In kindlicher Freude klatschte sie in die Hände.
"Bravo, ich hab dich zum Mann gemacht. Ich hab´s geahnt. Bravo, Führer in Gaeta!"
Sie bedeckte meine Körper mit kleinen, zärtlichen Küssen.

"Du hast mir sofort gefallen, auf der Via Veneto.... und ich hab´mich nicht getäuscht...."
Die Dämmerung brach an. Das Kindergeschrei wurde schwächer. "Du mußt jetzt gehen". sagte Marisa, "leider.
Ich würde dich gern über Nacht hierbehalten, aber das Risiko ist zu groß. Morgen, morgen werden sie noch in Gaeta bleiben. Wir könnten mit dem Auto in die Campage oder an den Braccianosee. Nein, besser nicht. Man könne uns sehen."

"Wie du willst."..... "Weißt du was? Ich schicke Maria noch mal fort, aber früher, damit wir viel Zeit für uns haben. Vorher laß ich ein kleines Mahl vorbereiten. Ja, komm um ein Uhr, durch den Garten wie heute."

Sie begleitete mich hinunter zum Hinterausgang, um mich nach einem langen Abschiedskuß zu entlassen.
Als ich durch den fast frühsommerlichen warmen Abend ging durchrieselte mich bei jedem Schritt ein nie gekanntes Glücksgefühl. Ich lebte! Ich war ein Mann! Ich hatte einen heißén Frauenkörper besessen und wußte, was Liebe ist, was Leben ist. Gierig sog ich die römische Abendluft ein, murmelte im Tak meiner Schritte fa-ccia-mo-l ámo-re-fa-ccio-mo-l á-mo-re.

An der Piazza Colonna nahm ich eine Pferdedroschke und sah beglückt auf die Köpfe der schwatzenden Menge herab. Ein Mensch, der die Menschen gefunden hatte, der jetzt zu ihnen gehörte, der brüderlich an sie dachte.

Zeitungsjungen stoben brüllend mit den Abendausgaben durch die Straßen: "Führer und Duce bei machtvoller Flottendemonstration in Gaeta" Mich wohlig in der Kutsche räkelnd, änderte ich in Gedanken die Schlagzeilen um: "Größenwahn wirkt sich ausnahmsweise positiv auf Individuum aus", und war der Politik zum ersten Mal dankbar.

Unter vorwurfsvollen Blicken servierte mir die Pensionsmutter persönlich das Abendessen nach. Die Freunde waren ausgegangen, um den Pincio bei Nacht zu sehen.

"Wo war denn, der junge Mann? Ohne etwas zu sagen, ist er nicht zum Mittagessen erschienen" bemerkte sie spitz.
Jetzt konnte sie mich nicht in Verlegenheit bringen, jetzt nicht.
"Entschuldien Sie mich vielmals, Signora, aber Rom ist zu schön. Ich glaube, daß ich es erst heute richtig entdeckt habe. Übrigens, morgen kome ich auch nicht zum Mittagessen."

Halb versöhnt schüttelte sie den Kopf, murmelte: "Diese jungen Leute", und schlurfte aus dem Speisesaal.
Ich ging zu Bett, war aber viel zu erregt, um einschlafen zu können. Meine Phantasie arbeitete fieberhaft, holte Bilder und Empfindungen des für mich einmaligen Tages plastisch zurück. Im Halbschlaf hörte ich die Freunde heimkommen. Die Badezimmerür wurde zugeschlagen. Endlich schlummerte ich ein, träumte glücklich- entspannt und fühlte meine kraftvollen Muskeln. Frauenhände streichelten zart meinen Kopf. Kleine Brüste mit harten Knospen berührten sanft mein Gesicht, meinen Mund. Traum oder Wirklichkeit. Meine Lippen kitzelten. Ich fuhr hoch und sah im vagen Mondlicht, das durch das halb geöffnete Fenster einfiel, eine lichte Gestalt:

Ines beugte sich über mich. Aus dem weiten Ausschnitt ihres Nachthemdes drängten junge, zitternde Brüste hervor. Mit einer einzigen Bewegung streifte ich ihr das lange Gewand ab und wandte an, was mich Marisa am Nachmittag gelehrt hatte. Im Morgengrauen huschte sie fort. Schweigend, wie sie gekommen war.

Das Frühstück machte mich um eine entzückende Erfahrung reicher: eine Frau kommt herein, die umschatteten Augen niedergeschlagen, geheimnisvoll lächelnd, um die Unsicherheit zu verbergen, deren Ursache du kennst. Sie setzt sich mit flüchtigem Augenaufschlag, und du weißt, der Schoß dort zwischen den Schenkeln, dieser Schoß war geöffnet für dich und du hast ihn geliebt. Und das Erregende ist, daß sie wahrscheinlich dasselbe denkt....


Zwei Frauen. .......... Und nun dieselbe Situation. ( Juni 1944 Marlies & Anni) Doch graue Ewigkeiten liegen dazwischen. In Rom sind die Amerikaner. Lebt Marisa? Wie geht es ihr? Und Ines? Sie mußte damals vorzeitig nach Vicenza zurück. In schöner Regelmäßigkeit schreibt sie mir Ansichtskarten. Immer nur zwei Worte: "Bacioni Ines". Die letzte kam vorigen Sommer.


In der Fortsetzung trifft Roman Marlies im Cafe, wie auf dem Zettel am Anfang dieser Fortsetzung. Sie landen durch Fliegeralarm im Luftschutzbunker, in dem der Strom "hilfreich" ausfällt........

1977 erschienen im Stephenson Verlag..
.
  • Geschrieben von CSV
  • Veröffentlicht am 30.09.2016
  • Gelesen: 7220 mal

Kommentare

Noch keine Kommentare vorhanden

Schreiben Sie einen Kommentar

0.084