Erotische Geschichten

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Fluchtverhalten

4,3 von 5 Sternen
Fluchtverhalten

Sascha lüftet die Geheimnisse der mysteriösen Nachbarin.

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Wer ist die blonde Schönheit, die der zurückgezogen lebende Sascha manchmal auf der Terrasse des gegenüber liegenden Penthouses sieht? Eines Tages lässt sie ihm eine Nachricht zukommen. Sascha besucht sie heimlich in der Nacht und wird in einen Mahlstrom aus Lügen, Verrat und Gefahr hineingezogen.

Dingo666

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Da war sie wieder!

Sascha Wagner spähte hinter der Küchengardine hervor, hinüber zu dem großen, langgestreckten Balkon. Dieser verlief über die gesamte Länge des gegenüber liegenden Wohnblocks.

Damit stellte er eine Art schmale Terrasse für das Penthouse drüben dar, denn die riesigen Fenster hinter der Brüstung saßen etwa einen Meter zurückgesetzt. Aber da der Vorsprung auch ein wenig über die Mauer des Stockwerks darunter hinausragte, und da das Geländer mit typischen 90er-Jahre-Aluminiumplatten bestückt war, hatte Sascha ihn schon immer als Balkon empfunden.

Seine eigene Wohnung lag im vierten Stock eines Gebäudes, das mehr als ein Jahrhundert auf dem Buckel hatte. Damals wurden Häuser noch mit ordentlichen Deckenhöhen gebaut, selbst hier in Bergenkling, einem ansonsten kaum bemerkenswerten Stadtteil von Hannover. Daher erreichte sein Küchenfenster fast auf dieselbe Höhe wie der Balkon gegenüber, im fünften Geschoss des Neubaus aus den Nuller-Jahren.

Die Entfernung betrug exakt 18,25 Meter. Das hatte ihm der Laser-Entfernungsmesser verraten, den er letzte Woche zufällig im Baumarkt gesehen hatte. Er wusste sofort, dass er ihn haben musste, für 25,90 Euro. Obwohl er sonst keinen Anlass hatte, Räume oder Distanzen auszumessen.

Die Kaffeemaschine von Saeco fauchte und warf mit Dampf um sich. Während er auf seinen Cappuccino wartete, zupfte Sascha einige welke Blätter von der Brunnenkresse, die in dem kleinen Topf auf dem sonnigen Fenstersims wucherte.

Dahinter sah er das lange, blonde Haar des Mädchens schimmern. Wie üblich stand sie aufrecht, fast starr, die Hände um die umlaufende Stange des Balkongeländers geklammert, den Blick auf den Horizont gerichtet. Ihr Gesicht, herzförmig über einem schlanken Hals, spiegelte kein Gefühl, keinerlei Regung. Wie üblich fühlte Sascha sich eigentümlich berührt.

Anfang April war sie eingezogen. Davor hatte ein Yuppie-Pärchen in dem Penthouse gewohnt. Er war Börsenmakler oder Banker oder so etwas, den Beruf seiner Freundin hatte er nie herausgefunden. Eine letzte, rauschende Party Mitte März, eine Ladung krakeelender Gäste auf dem Balkon.

In der Folgewoche hatte eine Flotte Umzugslaster ihre Besitztümer aus der Wohnung gesogen und nur leere Fenster zurückgelassen. Wenige Tage später standen neue Fahrzeuge vor dem Eingang, von einer anderen Firma diesmal, und der Prozess spulte sich rückwärts ab. Die Glasflächen hinter dem Balkon wurden von anderen Gardinen verhüllt. Weißer Stoff, blickdicht.

So konnte er das Mädchen nur dann sehen, wenn sie auf den Balkon heraustrat. Alles, was sich sonst in der Etage tat, blieb ihm verborgen. Ein oder zwei Mal meinte er, ein breites, männliches Gesicht hinter einem Fenster erkannt zu haben. Doch außer ihr kam niemals jemand auf den Balkon. Sie dagegen verbrachte jeden Tag mindestens eine Stunde dort, den Blick in eine unbestimmte Ferne gerichtet. Auch bei Nebel oder Nieselregen. Nur bei heftigem Niederschlag blieb der Vorbau verwaist.

Sein eigener Balkon lag vor seiner Küche, ihr zugewandt. Nur ein einziges Mal war er zufällig draußen gewesen, als sie erschien. Das war, als er vor Pfingsten das alte Holzgeländer mit einer frischen Lasur überzog. Erst als er aus den Augenwinkeln sah, wie die Reflexion auf dem Glas der Balkontür drüben beim Öffnen erzitterte, wurde ihm klar, dass er auf sie gewartet hatte. Und dass er extra für sie ordentliche Kleider angezogen hatte. Nicht das hässliche Holzfällerhemd, das er sonst immer bei schmutzigen Außenarbeiten trug.

Wie zufällig drehte er sich herum, sah sie und winkte grüßend hinüber. Ganz normal. Ein freundlicher Nachbar eben. Sie reagierte nicht. Schien ihn nicht einmal wahrzunehmen. Sah nur nach Westen, über die Bäume der Grünanlagen hinweg, in Richtung der sich langsam senkenden Sonne.

Seitdem mied er seinen Balkon. Er sah lieber aus dem Küchenfenster.
Nachdem das Plätschern des Kaffees verklungen war, nahm er die Tasse und schlenderte in sein Wohnzimmer. Der neue, riesengroße Fernseher mit den schicken Surround-Boxen ringsum sah ihn erwartungsvoll. Ja, er schien auffordernd zum wandhohen Regal mit den Hunderten von DVDs zu schielen.

Die Sammlung stellte das Ergebnis lebenslangen Suchens und Hortens dar, auch wenn der Wert der Sammlung seit Netflix empfindlich gefallen war. Aber heute verspürte er wenig Lust, den Samstag mit einem Actionspektakel einzuläuten.

Das Büro, direkt angrenzend. Sein großer Schreibtisch. Sein teures Notebook, das Zentrum seiner professionellen Aktivitäten als freiberuflicher Mitarbeiter einer Buchhaltungskanzlei. Auch die Bilanzen der von ihm betreuten Mittelständler übte momentan keinerlei Anziehungskraft auf ihn aus.

Wie üblich stand mehr Arbeit als genug an. Sein Kunde Mölking & Weiß bastelte gerade hektisch an einer Präsentation für die Bank und würden spätestens am Montagnachmittag nach den Zahlen schreien. Dabei hatten sie ihm die Rohdaten vom Mai erst am Freitag durchgegeben.

Egal. Das konnte er am Montagvormittag erledigen. Jetzt war Wochenende!
Kurz irrten seine Gedanken ab, zerrten alte Eindrücke und Bilder aus seinen Erinnerungen hervor. Mit Amanda war er samstags oft über den Markt geschlendert. Der Geruch von reifem Käse vor dem Thekenwagen aus Frankreich. Buntes Gemüse in unordentlichen Ständen, die den Passanten den Weg verlegten. Amandas verschmitztes Lächeln über dem Rand ihrer Tasse. Sie hatte sie immer halb vor das Gesicht gehalten, so dass er nur ihre Augen erkennen konnte. Die Augen, die sich beim Lächeln wie Mandeln formten.

Mit einem großen Schluck spülte er diese Spinnweben hinunter. Amanda war weg. Der Markt war auch weg, ebenso die alte Wohnung. Dafür hauste er jetzt in einem ruhigeren Viertel und besaß die Top-Multimedia-Anlage, gegen deren Anschaffung seine Exfreundin immer so fürchterlich vernünftige Gründe gefunden hatte. Und seine Ruhe. Die ganze Woche und speziell samstags und sonntags. Genug Raum, um einem hübschen, unbekannten Mädchen aus der Nachbarschaft hinterher zu gaffen, so lange er nur wollte.

Sascha trank aus und stellte die Tasse auf den Schreibtisch. Extra achtlos, ohne zu prüfen, ob etwaige Feuchtigkeit Ränder auf dem edlen Furnier hinterlassen würden. Amanda hatte einen ständigen Abwehrkampf gegen die Abdrücke geführt und seine Gläser immer mit vorwurfsvoll zusammen gekniffenen Lippen aufgeräumt.

Dann musste er grinsen. Amanda waren die Ringe auf seinem Tisch inzwischen mehr als egal, und über die Fl*cken würde er sich höchstens selbst ärgern. Er nahm die Tasse, wischte die Nässe vom Holz, und ging in die Küche.

Ein routinemäßiger Blick aus dem Fenster. Die Sonne strahlte vom Himmel, doch der Balkon, oder die Penthouse-Terrasse, lag verwaist.

***

Einige Stunden später kam Sascha von einer ausgedehnten Radtour nach Hause. Wie immer hatten ihm die Kilometer auf dem surrenden Rennrad gutgetan. Die körperliche Anstrengung hatten ihn zurückgebracht, ins Hier und Jetzt, in sein heutiges Leben.

Wie immer nach so einer Tour hatte er einen gewissen Frieden mit seinem Dasein schließen können. Er lebte weder gut noch schlecht. Ganz normal eben. Ein gutverdienender Enddreißiger nach einer längeren Beziehung, ohne außergewöhnliche Interessen oder exzentrische Hobbys, ohne zu viele lästige Freunde, ohne besonderes Ziel. Ein Boot in einem spiegelglatten Teich ohne jeglichen Seegang. Genau, wie er es haben wollte.

Als er das Rad im Keller abgestellt hatte und in den Hof heraustrat, sah er aus reiner Gewohnheit zum Balkon gegenüber hoch.

Er zuckte zusammen.

Das Mädchen sah zu ihm herunter. Blickte ihn aus riesigen Augen direkt an. Lebendig. Eindringlich. Vielsagend. Er lächelte unwillkürlich und winkte, aber die Geste erstarb mitten in der Bewegung, als jegliche Reaktion ausblieb. Nur ihr magnetischer Blick hielt ihn gefangen wie mit einem Magnetstrahl.

Irritiert blinzelte er, spürte leichten Ärger. Was wollte sie nur? Warum…

Eine unmerkliche Handbewegung von ihr. Ein kleiner Gegenstand fiel herab. Landete mit einem dumpfen Schlag im Grasstreifen neben der Eingangstür und kullerte zwei Schritte nach rechts. Als er fragend hochblickte, war der Balkon leer.

Sascha ging langsam über den Hof und kam sich lächerlich vor. Was mochten etwaige Nachbarn denken, die hinter ihren Gardinen hervor verfolgten, wie er mit seinem neonbunten Bikerdress im Hof herumlief und Sachen vom Boden aufsammelte?

Das Ding war eine olivgrüne, kaum abgebrannte Kerze in modischer Kugelform. Der Docht war direkt über dem weißlichen Wachs abgebrochen, stummer Zeuge eines versagenden Industriefertigungsprozesses. An der Kugel, gehalten von drei mehrfach gelegten Gummis, haftete ein weißes Quadrat. Ein Papier, klein zusammengefaltet.

Ohne einen bewussten Gedanken nestelte Sascha den Zettel ab und strich ihn auseinander. Als er die gedrängte Schrift darauf sah, wurde ihm klar, wie seltsam er jetzt erst auf mögliche Beobachter wirken musste. Er ballte eine Hand um seinen Fund und ging schnell zurück ins Haus. Er sah erst wieder auf das Papierchen, als sich die Tür seines Domizils hinter ihm geschlossen hatte.

„Bitte helfen Sie mir! Ich werde in dieser Wohnung gegen meinen Willen gefangen gehalten. Kommen Sie ab 23.00 Uhr auf meinen Balkon, dann kann ich ihnen alles erklären. Der Aufstieg geht über die Regenrinne ganz leicht. Ich flehe Sie an: lassen Sie mich bitte nicht im Stich! S.“

Stirnrunzelnd ließ Sascha den Zettel sinken. Was für ein Film lief hier ab? In welches Spiel sollte er hineingezogen werden? Alle seine Instinkte warnten ihn. Er konnte geradezu spüren, wie sie an seiner Haut zupften und seine Muskeln versteiften. Der glatte Teich seines ausgeglichenen Lebens drohte ohne Vorwarnung von einem Starkwind aufgewühlt zu werden, und der größere Teil von ihm ging sofort in Abwehrstellung.

Er schluckte und zwang diese Attacke nieder. Alles war gut, alles war ok! Er war in seiner Wohnung, die Tür war geschlossen, niemand war da. Wenn er wollte, dann konnte er tage- und wochenlang alleine hier drin sein, nur über dünne Kupferkabel in Kontakt mit dem Rest der Welt.

Alles war gut!

Ein klarer Kopf, das war jetzt wichtig! Ganz ruhig, in aller Ruhe mal überlegen! Am besten über die Geschichte lachen, den Zettel wegwerfen, und den eigenen Balkon erst wieder benutzen, wenn das Mädchen ausgezogen war. Bis dahin nur hinter den zugezogenen Gardinen hervor hinüberschauen. Das war doch vernünftig, oder?

Natürlich. Sascha ging in die Küche und nahm seine bevorzugte Beobachtungsposition ein. Keine schlanke Gestalt. Kein aschblondes, seidenlanges Haar, keine bittenden Augen.

Na also! Alles nicht so schlimm!

Sascha entspannte sich. So lange, bis er bemerkte, dass er den Verlauf der Regenrinne am Nachbarhaus akribisch von unten nach oben verfolgt hatte. Die vielen bequemen Querverstrebungen und Klettermöglichkeiten sprangen ihm förmlich in den Blick. In seiner Jugend war er öfters in den Bergen unterwegs gewesen. Neben den damals bezwungenen Felswänden wirkte die Fassade gegenüber wie eine Rolltreppe.

O nein!

Er würde sich nicht einmischen, keinesfalls! Der Himmel mochte wissen, in welchen Schwierigkeiten die Kleine war. Das war jedenfalls nichts für ihn!

Hm – vielleicht ein anonymer Hinweis bei der Polizei? Aber nein, die konnten inzwischen sicher jeden Anruf automatisch zurückverfolgen.

Er würde sich jetzt in aller Ruhe duschen, dann ein paar Filme aussuchen, „Matrix Teil 1 bis 3“ oder so, und sich einen schönen Abend machen.

Ja, das klang gut!

***

Kurz vor elf stand Sascha mit jagendem Herzen vor dem Nachbarhaus und starrte an der Regenrinne empor. Die alte Jeans und das dunkelblaue Shirt sahen unauffällig genug aus und sollten bei der Dunkelheit Schutz vor einer schnellen Entdeckung bieten. Als er eine Hand an das kühle Metall legte, da durchfuhr ihn ein Schauer. Warum machte er diesen Blödsinn hier?

Mit einem letzten tiefen Atemzug umfasste er das Rohr und setzte den Fuß auf die Oberkante des Gebäudesockels.

Greifen. Greifen. Hochziehen.

Stand sichern. Anderer Fuß nachziehen.

Wenn ihn jemand sah und die Polizei alarmierte, dann würde er ihnen den Brief zeigen, der in seiner Hosentasche steckte. Er würde behaupten, er wollte einfach erst einmal selbst nachschauen, bevor er Alarm schlug. Was ja irgendwie auch stimmte. Als Buchhalter und bisher unbescholtener Bürger würden sie ihn kaum verknacken können.

Greifen. Greifen. Hochziehen.

Im Erdgeschoss war alles dunkel. Im ersten Stock kletterte er zwischen einem hellen Küchenfenster und einem kleinen Balkon durch, dessen Geländer er für eine ganz kurze Verschnaufpause nutzte. Klassische Musik wehte um seine Ohren. Familie Mueller vermutlich, mit denen hatte er sich schon ein, zwei Mal im Hof unterhalten.

Greifen. Greifen. Hochziehen.

In der zweiten Etage lebte diese alte Frau Kastfinger. Stocktaub und meist im Rollstuhl. Keine Gefahr von dort.

Greifen. Greifen. Hochziehen.

Dritter Stock. Beim Passieren ratschte etwas glühend über seine Schulter, zerriss den Stoff seines Shirts und stach ihm heimtückisch in die Seite. Er fluchte stumm und wich aus. Ein buntes Windrädchen war da mit dickem Draht an das Balkongeländer angebunden. Ein Ende stand drohend heraus, in der Dunkelheit praktisch nicht zu erkennen. Daneben ein Holzhase, wohl noch von Ostern.

Greifen. Greifen. Hochziehen.

Irgendwo im Vierten stritt sich ein Paar. Eine keifende Frauenstimme, missmutig brütend der Mann dagegen.

Greifen. Greifen.

Keuchend hing Sascha vor dem obersten Balkon. Er musste sich eingestehen, dass er nicht mehr der schlaksige Jugendliche war, der sich mühelos die steilsten Felswände emporzog. Trotz seiner Radtouren und den Abenden im Fitness-Center lagen die Tage seiner sportlichen Höchstleistungen wohl hinter ihm.

Vorsichtig schwang er sich über die Brüstung und kauerte an den Aluminiumplatten in Deckung. Er wartete einige Minuten, bis Herzschlag und Atem ruhiger gingen und der Abendwind den Schweiß auf seiner Stirn angetrocknet hatte.

Die drei riesigen Fensterflächen, die praktisch die gesamte Wand bildeten, spiegelten das matte Licht der Straßenbeleuchtung. Nur ganz rechts war hinter den Vorhängen so etwas wie ein Licht innen zu erahnen, klein und entfernt. Kein Laut unterbrach die Stille.

Ok, das reicht!, entschied er. Die Rinne ist kein Problem, da komme ich auch wieder gut runter. Genug Abenteuer für einen Abend.

Er klopfte vorsichtig an die Scheibe.

Nichts.

Dann Schritte.

Das Fenster hob sich um ein, zwei Zentimeter, und schnarrte komplett nach links.

„Kommen sie rein! Schnell!“

Eine schmale Hand kam durch die entstehende Öffnung, ergriff seinen Arm, und zog mit unvermuteter Kraft. Halb überrumpelt ließ Sascha sich in die fremde Wohnung ziehen.

Die schlanke Gestalt neben ihm schloss das Glas rasch wieder und strich die Vorhänge sorgfältig glatt. Sie verharrte für einen Moment steif aufgerichtet. Dann drehte sie sich um.

Im Halbdunkel einer kleinen Leselampe in der gegenüberliegenden Ecke des großen Wohnzimmers erkannte Sascha das Mädchen. Sie sah ihn mit offenem Mund an, wie eingespannt zwischen Neugier und Beklommenheit. Ihm wurde klar, dass er ein sehr ähnliches Bild bieten musste.

„Sie haben ihre Kerze verloren!“, sagte er den Eröffnungssatz auf, an dem er den ganzen Nachmittag sorgfältig gefeilt hatte. Das sollte mindestens so cool klingen wie ein Einzeiler von Daniel Craig. Er fischte den fraglichen Gegenstand aus seiner Tasche und hielt ihm dem Mädchen hin. An einer Seite war der grüne Wachsüberzug vom Aufprall auf den Steinen unten völlig zerschrammt.

Sie starrte ihn an, dann auf das grüne Ding. Ein Lächeln trat auf ihre Lippen, wurde zum Grinsen. Der Raum hellte sich um mehrere Grad auf.

„Danke vielmals!“

Sie nahm die Kerze wie ein Staatsgeschenk entgegen und kicherte.

„Sascha Wagner“, stellte Sascha sich vor und streckte die Hand aus.

Das Mädchen ergriff sie und feixte erneut. Anscheinend hielt sie die Begrüßung für eine pompöse Erweiterung der kleinen Stegreif-Komödie, die er da aufführte.

„Sophie Margareta Rohmann“, meinte sie und machte sogar einen Knicks. Sascha nickte. Sophie war unter den Möglichkeiten gewesen, die er sich zu ihrem Initial „S.“. schon vorgestellt hatte.

Das geheimnisvolle Wesen war Mitte zwanzig, schätzte er. Aus der Nähe wirkte sie erwachsener als quer über den Hof. Sie hatte die langen, glatt gekämmten Haare mit silbernen Spangen zurückgesteckt und betrachtete ihn aus dunklen Augen. Die genaue Farbe war nicht zu erkennen. Eine schlichte Bluse in Weiß und eine schwarze, enganliegende Hose verrieten Geschmack und Geld. Von beidem besaß er selbst gerade genug, um ein gehäuftes Vorkommen bei anderen Leuten zu bemerken und zu bewundern. Oder zu beneiden, je nachdem.

Sophie machte den Mund auf, da meldete sich ein Telefon mit melodischer Tonfolge. Sie wurde aschfahl und packte ihn an den Oberarmen.

„Um Gottes Willen, kein Wort! Er darf nicht wissen, dass sie hier sind!“

Sascha nickte mechanisch und empfand sich wie ein Schauspieler auf einer fremden Bühne. Warum nur saß er jetzt nicht bequem vor seinem Fernseher? Sein Herz wummerte in der Brust.

Das Mädchen stakste zum Apparat, atmete tief durch, und nahm den Hörer auf. Den Rücken hielt sie wie einen Schutzschild in seine Richtung.

„Hallo? Ach, Paps! Ja. Ja, alles klar. Nein, ich brauche nichts. Nein. Ich lese ein bisschen. Ja… ja… aha? Ok. Ja, gut. Bis morgen. Tschüss Paps!“

Ein Klicken. Langsam ließ sie das Sprechteil sinken und dachte nach.

„Bernard kommt erst tief in der Nacht zurück“, meinte sie. „Wir sind also noch ein paar Stunden ungestört.“

„Was ist hier los, Frau Rohmann?“, fragte Sascha nun im Ton eines Bankangestellten. Die halbdunkle Wohnung fühlte sich an wie ein schwüler Dschungel, und er brauchte dringend eine Brise frischer, gesunder, rationaler Normalität.

Sie fuhr zu ihm herum und starrte ihn an, als sehe sie ihn zum ersten Mal. Dann lächelte sie entschuldigend und kam zu ihm. Nahm seine Hände.

„Bitte verzeihen sie mir. Ich bin schon so lange hier, dass ich vergesse, wie seltsam das rüberkommen muss. Und bitte: Nenn mich Sophie, ja?“

„Hrm – also gut. Sophie.“ Er schluckte bei der unvertrauten Lautfolge und betrachtete abwesend den weißen Doppelhügel ihrer Brust. Sophie war nur wenig kleiner als er selbst. Große Frauen fand er schon immer attraktiv…

„Zuerst möchte ich dir ganz, ganz herzlich danken, dass du das alles auf sich genommen haben, um mir zu helfen.“ Sie sah ernst zu ihm auf. Blau, entschied er. Ihre Pupillen mussten blau sein. Dunkelblau, wie das Meer an einer sehr tiefen Stelle.

„Ist schon ok. Was ist eigentlich los? Von wem wirst du denn… festgehalten?“

„Von meinem Vater!“ Sie hielt seinen Blick gefangen, so wie bereits heute Nachmittag, vom Balkon herab. Aus kurzer Distanz strahlte sie eine Aura unterdrückter Energie aus. „Er ist ein Gangster. Ein richtiger Verbrecher, so wie aus dem Fernsehen. Was für Geschäfte er genau macht, das weiß ich nicht mal. Ich glaube, es hat mit Drogen oder mit Waffenhandel zu tun.“

Sascha nickte. Natürlich. Eine ganz normale, vernünftige Erklärung. Passierte doch jeden Tag, oder?

„Bitte halte mich nicht für übermäßig skeptisch, Sophie“, sagte er langsam. „Aber ich verstehe nicht, warum…“

Sie lachte auf. Ein Laut wie eine Messerklinge.

„Du verstehst nicht? Dann pass mal auf: Ich wusste es nicht. Er hat immer seine Fassade gewahrt, als ich jünger war. Bis ich mich vor vier Jahren mal so richtig verliebt hatte. Das war auf Ibiza. Philipp war bei der Bundeswehr, bei eine dieser Spezialeinheiten. Er war von seiner Truppe verpflichtet, jede neue Freundin von den Sicherheitsbehörden durchleuchten zu lassen. Und nun rate mal, was bei mir herauskam?“

Sascha starrte sie an. Er fühlte sich völlig fehl am Platze.

„Philipp wollte mich herausholen“, fuhr sie mit tonloser Stimme fort. „Er hat mir alles erzählt. Aber am nächsten Tag, als er zurück zu seiner Einheit fuhr, da wurde er bei einem Verkehrsunfall getötet. Fahrerflucht!“ Sie schluckte.

„Um Gottes Willen!“, flüsterte Sascha und fasste sie wieder an den Händen. Sie drängte sich gegen ihn wie ein verschrecktes Reh an einen Baum und schmiegte ihr Gesicht an seine Wange.

„Ich habe meinen Vater angeschrien“, murmelte sie von dort unten. „Ihm alles auf den Kopf zugesagt. Er hat es zugegeben. Meinte, ich würde es verstehen, wenn ich mal älter bin. Aber was gibt es da zu verstehen? Er hat meinen Liebsten umgebracht. Und inzwischen denke ich sogar darüber nach, ob meine Mutter damals wirklich Selbstmord begangen hat.“

Sascha schwieg betäubt. In seiner Brust holperte laut und schwer. Was, wenn die Tür jetzt aufging und…

„Seitdem lebe ich wie in einem Käfig. Mein Vater liebt mich, auf seine Weise, und er will es mir an nichts fehlen lassen. Aber er hat auch Angst davor, dass ich weglaufe und ihn verrate. Berechtigte Angst!“

Hier sah sie zu ihm auf und ihr Blick wirkte plötzlich so klar und kalt und zielstrebig, dass er schlucken musste.

„Ich will weg! Ich muss weg!“, flüsterte sie eindringlich. „Und ich möchte dich bitten, dass du mir dabei hilfst!“

Automatisch suchte Sascha nach Auswegen. Nach Ausflüchten. Nach Gründen, sich nicht festlegen zu müssen.

„Warum bist du nicht selbst an dem Regenrohr runter geklettert? So schwierig ist doch das nicht?“

Sie lachte wieder auf, in diesem schrecklichen Ton. Wie vergifteter Honig mit Stacheln darin. Dann machte sie sich los, nahm ein Knie hoch und zog elegant ein Hosenbein nach oben. Sie entblößte eine wohlproportionierte Wade, die in eine schmale Fessel und einen Fuß in schwarzem Söckchen überging. Erst auf den zweiten Blick erkannte Sascha an ihrem Knöchel so etwas wie eine dunkle Armbanduhr. Ohne Ziffernblatt. Dafür mit einer roten LED. Das Auge einer winzigen Giftschlange.

„Elektronische Fußfessel!“, erklärte Sophie nüchtern. „Er weiß ständig, wo ich bin. Sobald ich das Haus verlasse oder das Ding abschneide, schlägt der Computer Alarm. Dann lässt Bernard alles stehen und liegen und ist in einer halben Stunde hier. Alleine komme ich in der Zeit nicht weit, das habe ich schon viermal versucht. Er findet mich immer, wenn ich nicht genügend Vorsprung habe. Deshalb brauche ich jemand von außen, der alles vorbereitet. Ich brauche dich!“

Sascha starrte immer noch ihre Wade an, vermied ihren Blick. Er hätte alles darum gegeben, die ganze seltsame Geschichte hier vergessen und unbehelligt in seiner Wohnung zurück zu sein. Wie verlockend ihm sein stinknormales, langweiliges Leben plötzlich vorkam! Aber er wusste auch, dass er es niemals schaffen würde, schlicht „Nein“ zu sagen.

„Was schwebt dir vor? Du hast dir doch sicher alles genau zurechtgelegt, oder?“, fragte er, um Zeit zu gewinnen.

„Sehr einfach!“, spulte sie ihren Plan ab. „Du besorgst mir eine Wohnung, wo ich untertauchen kann und einen Computer. Ich schreibe alles auf, was ich über meinen Vater weiß, und deponiere das in einem Schließfach, oder bei einem Rechtsanwalt oder so. Ich maile das dann an meinen Vater und sage ihm, dass alles an die Presse kommt und zur Polizei geschickt wird, wenn ich mich nicht regelmäßig melde.“

„Aha.“

„Die Wohnung lässt du am besten von einem Freund oder einem Kollegen mieten. Er wird sicher die ganzen Nachbarn kontrollieren, sobald ich weg bin. Aber sei unbesorgt, er hat ja keine Ahnung von deiner Existenz.“

Endlich senkte sie das Bein. Schwarzer Stoff verhüllte die glatte Haut.

„Also? Was meinst du? Wirst du mir helfen?“ Sie stemmte die Arme in die Hüften und sah Sascha abwartend an, den Kopf schräg gelegt.

„Klar helfe ich dir!“, sagte Sascha in einem aufrichtigen Ton. Dann lauschte er seinen eigenen Worten nach, um festzustellen, ob er das auch wirklich so meinte. Auf ihrem Gesicht breitete sich zögernd ein Lächeln aus, und er bemühte sich, es angemessen zu erwidern. Dabei fühlte er leichte Übelkeit im Bauch.

„Danke! Das werde ich dir nie vergessen!“, flüsterte sie, schlang ihm die Arme um den Hals und drückte ihm einen schockierend warmen Kuss auf seine Lippen. Wie von selbst legten sich Saschas Hände um ihre Taille, spürten der eleganten Kurve ihrer Hüfte nach. Aber trotz der plötzlichen körperlichen Intensität wollte das seltsame Gefühl des Irrealen nicht von ihm weichen. Immer noch kam er sich vor wie ein Schauspieler auf der Bühne. Leider hatte sich niemand die Mühe gemacht, ihm den richtigen Text zu geben.

„Heute ist unsere Glücksnacht!“, raunte Sophie ihm freudig zu. „Robert hat Urlaub, und Bernard musste kurzfristig zu meinem Vater. Vermutlich hat er mal wieder Herzprobleme. Sonst werde ich fast immer rund um die Uhr persönlich bewacht, von ´medizinisch-technischen Assistenten´ – ha!“ Sie schnaubte abfällig.

„Wie willst du denn dann entkommen?“, meinte Sascha, eher um das Gespräch weiter zu führen, als weil er tatsächlich neugierig gewesen wäre.

Sophie kicherte und drückte sich an ihn. Wider Willen genoss er den ungewohnten Körperkontakt, die weichen Formen und ihr verwirrend gut riechendes Parfum.

„Ich habe das Schloss zum Klo manipuliert. Wenn er drin ist, kann ich ihn von außen einsperren, die Fußfessel abschneiden, und die Rinne runter. Die Klotür ist stabil, die hält ihn eine Weile auf. Du musst mit einem Mietwagen bereitstehen und wir müssen sofort weg, bevor er sich befreien kann. Am besten nimmst du ein Auto mit dunklen Scheiben.“

„Klar.“

Er musste ein albernes Grinsen unterdrücken. Mein Name ist Wagner. Sascha Wagner. Den Martini bitte geschüttelt, nicht gerührt. Und ist mein Aston-Martin schon poliert?

Sie nahm seinen Kopf zwischen beide Hände und sah ihn durchdringend an.

„Kann ich mich auf dich verlassen?“, wollte sie wissen. „Das ist mein Leben, um das es hier geht. Wenn du nicht willst, sag es mir bitte jetzt, dann tut es nicht so weh. Ich weiß nicht, ob ich noch einen Verrat ertragen könnte.“

„Hey, keine Angst!“ Er strich ihr unbeholfen über den Rücken. „Ich bin nur ein Buchhalter, aber was ich anfange, das führe ich auch zu Ende.“

Mit milder Überraschung stellte er fest, dass er damit nicht einmal gelogen hatte. Inzwischen war er wohl zu tief in dieser Geschichte gefangen. War zu eng mit dieser seltsamen jungen Frau verwoben, um sich als Unbeteiligter aus allem heraus halten zu können, wie sonst immer.

Das strahlende Lächeln erhellte ihr Gesicht erneut, und sie küsste ihn wieder, länger diesmal. Süßer Atem an seiner Wange, weiche Lippen unter seinen, biegsame Formen in seinen Armen.

Mit Macht explodierte eine Erektion in seiner Hose. Sie spürte es, und nach einem winzigen Zögern presse sie ihren Unterleib fest gegen ihn. Küsste ihn hungriger, verlangender.

„Schlaf mit mir!“, flüsterte sie ihm schwer atmend zu. „Ich will dich haben. Ich will spüren, dass ich lebe. Dass ich nicht für immer in einer Gruft eingeschlossen bin!“

Erschauernd rieb er sich gegen sie, tastete nach ihrem Po, küsste sie nass auf den Hals. Ah, wie er sie wollte! Nach Amanda hatte nicht mehr ernsthaft nach einer anderen Frau gesucht, nicht einmal nach eine One Night Stand. Die Erregung nahm sein Fleisch so unwiderstehlich in Besitz, dass er erschauerte. Doch gleichzeitig fühlte er sich seltsam schüchtern. Konnte er es überhaupt noch? Würde er sie befriedigen können?

„Haben wir denn genügend Zeit dafür?“, wich er aus.

„Ja, haben wir.“ Sie legte anmutig den Kopf nach hinten, bot ihm ihre Kehle an. „Bernard kommt erst gegen drei zurück, soweit ich weiß. Aber du musst früher weg, zur Sicherheit. Halb zwei, würde ich sagen.“

„Das sind zwei Stunden!“, murmelte er an ihrem Hals.

„Ja. Zeit genug…“ Ihr Kehlkopf hob sich beim Schlucken unter seinen Lippen. „Zeit genug. Oh Gott, ist das lange her, seit ich…“

Ihre Münder fanden sich erneut, und sie küssten sich offen, keuchend, gierig, nass. Die Zungen wanden sich umeinander wie zwei Seeschlangen im Liebesspiel, die Hände tasteten sich forschend über den fremden Körper. Sophies Brust fühlte sich überraschend groß und fest an. Als er über ihre aufgerichtete Brustwarze strich, da stöhnte sie unter seinem Mund unterdrückt auf und zitterte kurz am ganzen Leib.

Mit einem schmatzenden Geräusch machte sie sich los und sah ihn wild an. „Mach es sofort!“, raunte sie tonlos. „Schlaf mit mir! F*ck mich!“ Sie lächelte schwach und ließ ihr Becken leicht gegen ihn kreisen. „Das Vorspiel können wir später nachholen, oder? Jetzt will ich dich erst mal richtig haben!“

Sascha blinzelte perplex. Sofort? Sie wollte S*x, hier und jetzt? Mit ihm, einem völlig Fremden? Das war ungewöhnlich, oder? Sonst wollten Frauen doch immer erst des Langen und des Breiten umsorgt und verwöhnt und erobert werden.

Doch wenn es stimmte, was sie sagte, dann war es vielleicht verständlich. Mutterseelenalleine im goldenen Käfig, jahrelang. Was musste sie erlebt haben, empfunden haben, aushalten müssen? Kein Wunder, dass sie nicht bereit war, auch nur eine weitere Sekunde zu warten.

Andererseits – wollte er denn? Konnte er, so auf die Schnelle? Erneut verspürte er einen kühlen Hauch von Unsicherheit. Dann straffte er sich durch. Er wollte es ja auch. Und wie! Jetzt hatte er die Chance. Nun hieß es zugreifen. Buchstäblich!

Er grinste sie verschwörerisch an und nahm noch einmal beide vollen Brüste in die Hände, drückte gierig. Dann trat er zwei Schritte zurück.

„Also gut. Zieh dich aus!“

Damit streifte er sein Shirt über den Kopf – hoffentlich so lässig wie der Typ in der Coca-Cola-Werbung – und knöpfte die Hose auf. War das wirklich er selbst, der Buchhaltertyp, der sich da scheinbar locker und unverkrampft durch diese aufgeladene Situation bewegte?

Sophie lachte auf, schürzte sie die Lippen, warf ihm einen Blick unter den Wimpern hervor zu. Sie öffnete einen Knopf nach dem anderen, die ganze Front an ihrer Bluse hinab. Darunter kam ein sündhaft teuer aussehender weißer Spitzen-BH zum Vorschein, der wunderbar mit ihrer gebräunten Haut kontrastierte. Hatte sie sogar eine Sonnenbank hier in ihrem komfortablen Gefängnis?

Der BH sank herab und enthüllte ihre vollen Formen. Für einen Moment musste er an die festen, kleinen Brüste von Amanda denken, deren Nippel so verblüffend hart in seinem Mund werden konnten. Aber schnell wischte er dieses Bild beiseite. Heute Nacht würde er diese weichen Halbkugeln in Besitz nehmen, würde sein Gesicht in dem duftenden Tal zwischen den fleischigen Hügeln vergraben, würde das rhythmische Auf- und Niederfließen dieser Fülle auf ihrem Körper verfolgen können, wenn er in sie stieß.

Als er seine Jeans abstreifte, da verwandelte sein Rohr die Unterhose sofort in eine kantige Skulptur. Sie sah es und lächelte. Zog ihre Hose mit einer anmutigen Hüftbewegung an den schlanken Beinen herab. Für einen Moment erhaschte er einen Blick ihres winzigen Slips, dann lag auch dieser auf dem Boden. Sie stand stolz und nackt vor ihm, die Knie leicht geöffnet. Das helle Schamhaar schimmerte säuberlich gestutzt und kurz geschnitten. Ihre Brust hob und senkte sich unter tiefen Atemzügen. Nur der schwarze Ring der Fußfessel störte an ihrer ebenmäßigen Gestalt.

Schnell befreite sich Sascha von seiner Unterhose. Er war froh über das Training, das ihn einigermaßen in Form gehalten hatte, und vertraute auf das zuverlässige Funktionieren seiner Potenz, auch wenn die in letzter Zeit wenig getestet worden war. Sein Penis ragte steil empor, fast wie bei einem Jüngling.

So standen sie sich noch endlose Sekunden atemlos gegenüber und betrachteten sich neugierig, forschend, hungrig. Sophie zwinkerte ihm zu, wandte sich um und schritt mit aufreizend wiegenden Hüften zu der breiten Couch, die wie ein Findling mitten im Raum lag.

Aufseufzend ließ sie sich hineinfallen und spreizte, halb sitzend, halb liegend, die Schenkel weit auseinander. Ein kurzer Blick an sich hinab, ein erneutes Kichern, dann tastete sie nach der Lampe auf dem kleinen Tischchen neben ihr und justierte den Winkel. Der warme Lichtkegel floss von der Seite über ihren konturierten Körper und unterstrich dessen Plastizität mit einer höchst ansprechenden Verteilung von heller Haut und Schatten.

„Willst du sehen, wie scharf ich auf dich bin?“, fragte sie dunkel, ohne ihn anzublicken, und arrangierte ihren Leib neu, schob die Hüfte vor. Sascha trat zögernd näher und blieb vor ihr stehen, halb zwischen ihren breit geöffneten Knien. Die Schamlippen standen durch ihre Haltung leicht auf, die angedeutete Furche dazwischen war mit einer transparenten Flüssigkeit überzogen. Ein großer Tropfen hing unten an einer bräunlich geschwollenen Hautfalte. Ihr samtscharfer Intimgeruch stieg ihm in die Nase, so wie das Bouquet eines teuren Weines.

Erneut stieg Verwirrung in ihm hoch. Er kannte keine Frauen, die sich einem Mann so unvermittelt und so schamlos präsentierten. Auch eine Folge ihres Martyriums? Oder war das nur auf seinen begrenzten Horizont zurückzuführen?

Träumerisch legte sie eine Hand auf ihren Unterbauch und strich mit den Fingerspitzen durch die kurzen Schamhaare. Neue Schattenlinien auf ihrer Haut. Sie ging tiefer, massierte die hervorlugende Perle, und drängte die Schamlippen auseinander. Die öffneten sich mit einem leisen Geräusch und gaben den Blick frei auf ihren wulstigen, rötlich schimmernden Eingang.

„Hier… flüsterte sie. „Hier will ich dich haben…“

Er schluckte und glitt auf sie, schmiegte sich an ihren Bauch, zwischen ihre Schenkel. Seine suchende Rute fand den Weg völlig von selbst. Er starrte ihr ins Gesicht, als er sich mit einem Ruck tief in sie bohrte. Sie riss die Augen auf, stieß einen dünnen Ton aus und kam ihm entgegen, nahm ihn willig in sich auf.

Unter heftigen Atemzügen hielten dann beide still. Erforschten das unvertraute Gefühl der Vereinigung, gleichzeitig erregend neu und uralt vertraut. Warme, feuchte Höhlung um quälend harten Stein. Sachte Berührung, unmerkliche Reibung und ein elektrisch stechendes Prickeln zwischen den Geschlechtern.

„Uhh…“, stöhnte sie genussvoll, lächelte, und bewegte das Becken mit nun geschlossenen Lidern. Er ließ sich auf ihren Takt ein, zog sich eine Winzigkeit zurück, um dann erneut gegen sie, auf sie, in sie zu drücken, ihre seidige hintere Begrenzung zu verspüren. Sie erzitterte und zog die Knie höher, die Schenkel breiter, wollte ihn noch enger an sich spüren. Er drängte sich heran, bohrte sich in sie wie der rotierende Schaft in eine Ölquelle, und fasste sie um die Schulterblätter.

„Ja, das ist gut…“ Sie seufzte mit einem träumerischen Lächeln und gab sich seiner Umschlingung rückhaltlos hin. Feucht schmatzendes Fleisch, hechelnder Atem, hastige Küsse, gemurmelte Geilheiten.

Sascha stieß das Mädchen nun ernsthaft, im harten, tiefen Rhythmus eines erfahrenen Mannes. Fasziniert verfolgte er das ruckartige Erbeben ihres Busens bei jedem kräftigen Zusammenprall ihrer Leiber. Er konnte das immer noch ganz gut, stellte er fest. Nach der Trennung von Amanda hatte er schon gedacht, dass ein Teil seiner Lust mit ihr für immer verlorengegangen sei. Mit neuer Zuversicht ließ er seine Rute in ihr kreisen, und sie seufzte hingebungsvoll.

Mehr!

Er senkte den Kopf und nahm eine Brustwarze zwischen die Lippen. Sophie umschlang sie ihn mit Armen und Beinen und drückte ihm selbstvergessen die halbe Brust in den Mund. Er lutschte und kaute auf der erigierten Knospe herum und genoss es gleich doppelt, als sie fahrig nach seinen Nippeln tastete. Ihre Fingernägel auf seinen empfindlichen Stellen lösten ein scharfes Prickeln aus, das sich quer durch seinen Körper bis in die Hoden fortpflanzte.

Nun packte er sie tiefer, um den Po, hielt sie eisern umklammert und stieß sie, glücklich über die eigene Enthemmung. Sophie ging voll mit. Sie ächzte und stöhnte und schrie abgehackt, verkrümmte und wand sich unter seinem Ansturm, die Schenkel zitternd angespannt, die Scham heiß und verquollen. Immer heftiger, immer hemmungsloser stieß er zu, angetrieben von ihren atemlosen Keuchlauten und von dem ätherischen Rausch, in den er sich selbst versetzte.

Heißer! Höher! Härter! Ja! Bis er das vertraute Nahen des Orgasmus spürte. Ihr hoher, zittriger Schrei mischte sich mit seinem dumpfen Brüllen, als sie gleichzeitig kamen.

In langen Schüben ergoss er sich in das Mädchen. Das herrliche Schaudern mischte sich mit einem Frohlocken, tief in seiner Brust. Ganz egal, wie diese Geschichte ausgehen mochte - so eine tiefe Verbindung hatte er seit Jahren nicht mehr erlebt. Auch nicht diese Erregung, diese blinde Geilheit. Und die Art, wie Sophie unter ihm zitterte und bebte und wie sie mit offenem Mund den Kopf in den Nacken legte – all das signalisierte, dass es ihr nicht anders erging.

Die hochgepeitschte Raserei wandelte sich in sanftere, entspannte Bewegungen. Sie mäanderten in leisen Lustlauten und erfüllten Seufzern dahin, in ein genießerisch verzögertes Ausklingen hinein. Schließlich lag er schwer und schlaff auf ihr und sie genoss sein lastendes Gewicht auf sich. Das langsame Pochen in den ineinander ruhenden Geschlechtsteilen wurde von einem glimmenden Kribbeln begleitet.

„Meine Güte!“, flüsterte Sophie matt und fuhr ihm mit den Fingern kammgleich durch die Haare. „Das war… wunderschön!“

„Ja“, meinte er nur. Das Unvermögen, seine Empfindungen auch nur annähernd in Worte zu kleiden, trieb ihm die Tränen in die Augenwinkel.

***

Danach lagen sie gemeinsam in ihrem Bett, er hinter ihr, sie dicht an ihn gekuschelt. Mit leiser Stimme erzählte sie. Von ihrer Mutter, von den sonnenhellen Tagen ihrer Kindheit und den vielen Wundern von damals. Die Zeit schien für sie noch so präsent, als wäre es gestern erst geschehen. Sascha drückte sich genießerisch gegen ihren anschmiegsamen Po, hielt sie umfasst und str*ichelte ihre weichen Brüste. Er schnupperte den zarten Lustdüften nach, die von ihrer Haut ausdünsteten, während er mit halber Aufmerksamkeit lauschte.

Vom Selbstmord ihrer Mutter sprach sie nicht mehr. Das musste gewesen sein, als sie etwa neun oder zehn Jahre alt war, denn alle ihre Erzählungen spielten in der Zeit davor. Über den Vater verlor sie kein einziges Wort.

Schließlich verstummte sie, und eine etwas schwere Stimmung hing in der Luft. Sascha küsste sie auf den Nacken und l*ckte sie dann am und im Ohr. Sie kicherte und schauerte zusammen, und das schien auch gleich die Geister der Vergangenheit zu vertrieben.

„Wann willst du eigentlich abhauen?“, fragte er sie leise ins Ohr. Sophie seufzte und konzentrierte sich wieder auf das Hier und Jetzt.

„Sobald wie möglich. Wir ziehen öfters um, sind selten mehr als drei oder vier Monate in derselben Wohnung. Ich möchte nicht wieder ganz vorne anfangen.“

„Gib mir drei, vier Tage, um das mit dem Unterschlupf klar zu machen“, meinte er und versuchte, dabei ganz lässig zu klingen. „In der Zeit kann ich auch meine dringendsten Arbeiten zu Ende führen. Ich kündige überall an, dass ich in Urlaub gehe. So kann ich bei dir sein und dir helfen.“

„Ja, das ist gut!“ Sie dachte nach. „Am besten machen wir es so, dass deine Ferien schon zwei Tage vorher anfangen. Dann denkt mein Vater bestimmt, dass du mit meinem Verschwinden nichts zu tun haben kannst, weil du ja weit weg bist.“

„Gut!“ Sascha überlegte, ob er pro forma einen Flug irgendwohin buchen sollte, um eine falsche Fährte zu legen. Aber das war ja kein Geheimdienst mit unbegrenzten Zugriffsmöglichkeiten, der ihnen da auf den Fersen sein würde, sondern nur ein Ganove. Er würde sich auf die klassischen Methoden beschränken, Nachbarn befragen und so. Vielleicht auch in seine Wohnung eindringen.

Am besten ließ er einige Kataloge und Reiseunterlagen auf seinem Schreibtisch herum liegen und sprach eine entsprechende Meldung auf seinen Anrufbeantworter. Wider Erwarten stellte er fest, dass ihm die Geschichte langsam Spaß machte. Wenn er an einer Bilanz bastelte, um diese für das Finanzamt zu präparieren, dann ging er schließlich nicht viel anders vor als jetzt. Was würde die andere Partei interessieren? Und wie konnte er Informationen so verpacken, dass daraus die von ihm beabsichtigten Schlüsse gezogen wurden?

„Also eine Woche. Ich werde am Samstag offiziell verreisen, und am Montag kletterst du an der Rinne runter!“

Mit einem Jauchzer drückte Sophie sich enger an ihn, nahm seine Hand und küsste diese oft und schnell. Die Vorfreude auf ihr Entkommen verwandelte die ernste junge Frau in ein aufgeregtes Mädchen.

Zumindest, was ihr Verhalten anbetraf. Ihr Körper blieb genauso reif und feminin, wie er ihn kennen gelernt hatte. Bewundernd strich er mit zwei Fingern die Sinuskurve ihrer Taille und Hüfte nach, spürte makellose Haut, entspannte Muskeln, sanftes Fleisch. Dann schob er die Hand zwischen seinen Unterbauch und sie, legte sie auf ihre linke Hinterbacke, und tastete die straffe Halbkugel entlang. Sophie maunzte etwas und nahm ein Knie hoch, um ihm besser Zugriff zu gewähren.

So ermuntert erforschte er die anmutigen Erhöhungen und Vertiefungen ihres Pos. Von der seidigweichen Kerbe, wo der Schenkel in die Backe überging, über den leicht gespannten Muskel auf dem Hüftgelenk bis zum Ende ihrer Rückenwirbel und dem schmalen Beginn der warmen Furche. Sie erzitterte kurz und schob das obere Bein höher, öffnete sich ihm bereitwillig.

Seine Fingerspitzen drangen vorsichtig vor, erkundeten die Tiefe ihrer An*lspalte, trafen auf mehr Wärme und schwitzige, zarte Haut. Schließlich auf den heißen Knubbel ihrer Rosette. Sie stöhnte leise und langgezogen und genoss es sichtlich, wie er sie dort behutsam massierte. Er konzentrierte sich ganz auf die unmerklich langsam kreisende Fingerkuppe, drückte sie nur andeutungsweise in ihren Hintereingang.

„Willst du mich – da hinten?“, murmelte sie und blinzelte ihn über ihre Schulter an.

Er holte tief Luft. Der Gedanke, sich bis zum Anschlag in diesem prachtvollen Po zu bohren war so etwa das Verlockendste, was er sich überhaupt vorstellen konnte.

„Nein“, sagte er nach kurzem Zögern. „Dazu brauchen wir viel Zeit, und die haben wir heute Nacht nicht. Ich möchte das nicht überstürzen, sonst hast du nichts davon.“

„Gut.“ Sie atmete tief aus. „Ich habe das nämlich noch nie gemacht. Lust hätte ich schon, aber auch ein bisschen Angst.“

Er brummte zustimmend und gratulierte sich zu seinem Entschluss. So musste er wie ein sehr erfahrener Liebhaber auf sie wirken – nicht schlecht! Und wenn sie wirklich tagelang zusammen in einer Fluchtwohnung zubrachten – wer konnte wissen, was dann alles möglich war…

Die Zärtlichkeiten und die Bilder in seinem Kopf ließen seinen Penis erneut schwer pulsieren. Automatisch spannte er die Beckenmuskeln an und presste die Dreiviertelerektion gegen ihren Po, den er immer noch sacht stimulierte. Er löste den Finger mit leisem Bedauern aus ihre R*sette und drang tiefer, über ihren Damm bis zur Öffnung ihrer Weiblichkeit. Weiche Haut, benetzt mit schlüpfriger Flüssigkeit. Er nahm eine dünne Schamlippe zwischen zwei Fingern und massierte diese federleicht gegeneinander.

Sophie stöhnte verhalten, vergrub den Kopf zwischen den Armen, und gab sich seinen Liebkosungen reglos hin. Spielerisch erforschte er ihre warmen Falten, fuhr die Konturen ihrer Intimteile nach und ließ eine Fingerspitze zutraulich im Eingang ihrer Scheide kreisen. Sie seufzte erneut und hob ihm den Unterkörper entgegen, wollte mehr von ihm spüren. Doch er drückte sie zurück.

„Schon vergessen? Du hast mir das Nachholen des Vorspiels versprochen!“, raunte er ihr ins Ohr. Sie kicherte und ergab sich seinen Zärtlichkeiten.

Er schob sich etwas tiefer und drang nach vorne vor, bis zum oberen Ende ihrer Spalte. Dort spürte er nach ihrer Perle, fand den kleinen Knopf schnell und fasste ihn mit zwei Fingerkuppen. Die er hauchfein gegeneinander rieb.

Sie zuckte ein, zwei Mal und stöhnte dumpf in das Kissen. Davon abgesehen ließ sie ihn ungehindert gewähren. Da sein Riemen nun ohnehin groß und steif aufragte, nahm er nun diesen, um mit der heißen, entblößten E*chel in die dampfige Kuhle zwischen Po und Schenkeln vorzudringen.

Erneut schienen elektrische Funken über zu springen und kitzelnde Lust dort unten anzufachen. Sophie keuchte und drehte sich vollends auf den Bauch. Dazu streckte sie alle Glieder weit von sich, die Beine breit gespreizt. Sascha schob sich über sie, kniete zwischen ihren Schenkel und führte sein steinhartes Glied mehrmals langsam über ihre Lustspalte und über den Damm bis zum Hintereingang und zurück.

„Los… nimm mich schon… mach…“, ächzte sie jetzt und winkelte die Knie an. Sie zog die Fersen an den Körper, um sich weiter für ihn aufzumachen. Er quälte sie zwei weitere Minuten mit leichten, spielerischen Berührungen, bis sie fast wimmerte vor Verlangen. Dann brachte er die Penisspitze an ihr nasses, offenes Loch, holte einmal Luft, und schob sein Rohr erneut in sie.

„Ja… ja.. ja… ja…“, stöhnte sie anfeuernd im Takt seiner Bewegungen und stemmte sich mit den Händen vorne gegen das Kopfteil des Betts, um nicht von den Stößen nach oben gedrückt zu werden. Sascha hing über ihr, eine Hand noch zwischen ihren stampfenden Leibern, die Finger genau an der Stelle, wo seine harte Stange immer wieder nass in ihren aufgedrückten Falten verschwand, den Handballen halb in ihrer An*lspalte vergraben.

Für einen Moment blitzte das Bild eines Löwen in seinem Kopf auf, der ein brünstiges Weibchen bestieg. Davon inspiriert biss er sie in den Nacken, wenig zurückhaltend. Für eine Sekunde wurde sie steif wie ein Brett, ächzte und verdoppelte dann die Intensität ihrer Bewegungen. Ihr Becken rollte wollüstig vor und zurück, ihr Innerstes kam ihm entgegen, nahm ihn auf, schluckte ihn, inhalierte ihn.

In fieberhafter Erregung verlagerte er seinen Griff, tastete höher, bis er nun zwei Fingerkuppen in ihren After drängte, der sich konvulsivisch zusammenzog und lockerte.

„Jaaa.. oh Gott… ich komme gleich wieder… ich komme… ich…“

Wimmernd taumelte sie in einen zweiten Orgasmus. Fasziniert und hochgradig erregt genoss er das unglaubliche Gefühl, wie sich ihre Scheide und ihr Po spasmisch um sein Ding und um seine Fingerspitzen krampften, wie nasse Hitze aus ihr explodierte, wie die unkontrollierten Zuckungen ihres ganzen Leibes ihn abzuwerfen drohten, wie sie kehlig schluchzte und keuchte.

Rasend vor Wollust rappelte er sich hoch, kam auf die Knie, und zog ihren schüttelnden Körper einfach mit. So attackierte er sie in irrwitzigem Tempo von hinten. Brutal, wütend, maschinenhaft. Bis endlich auch er über die Klippe wankte und im freien Fall hinunterstürzte. Unten erfasste ihn die Brandungswoge und schleuderte ihn weg…

Wie er eine halbe Stunde später mit weichen Knien, zitternden Armen und einem schwachsinnigen Lächeln auf den Lippen heil die Regenrinne hinunter kam, daran konnte er sich später beim besten Willen nicht erinnern.

***

Sonntagmorgen.

Sascha erwachte, als die Sonne bereits so hoch stand, dass sie nicht mehr durch das Schlafzimmerfenster zu sehen war. Nach einer Sekunde der Desorientierung waren mit einem Schlag alle Erinnerungen an die zurückliegende Nacht präsent. Sophies schwimmende Augen, mit denen sie ihn beim Abschied angesehen hatte. Das Gefühl und der Geschmack ihrer Lippen auf seinen.

Neben dem wohligen Nachklang der gemeinsamen Lust im Bauch fühlte er eine gewisse Beklommenheit aufsteigen. Auf was hatte er sich da nur eingelassen? Nicht nur, dass er sich urplötzlich in einem intensiven Verhältnis mit einer völlig unbekannten Frau wiederfand. Dahinter lauerte die schwer einzuschätzende Bedrohung durch ihren Vater.

Wollte er das wirklich? Schließlich hatte er in den letzten zwei Jahren höchsten Wert daraufgelegt, sich seine Wohnung, seinen Beruf, sein Umfeld und sein ganzes Leben so einzurichten, dass er möglichst wenig mit anderen zu tun hatte. Möglichst ungestört vor sich hinvegetieren konnte. Dieser vertraute, ruhige Fluss der Dinge hatte sich buchstäblich über Nacht in einen Wildbach verwandelt, in dem Klippen und Stromschnellen als vergleichsweise harmlose Gefahren erschienen.

Nun ja, auf die Dauer waren die Leinwand-Abenteuer aus zweiter Hand doch zu schal. Er fühlte sich so lebendig wie schon lange nicht mehr. Energiegeladen sprang er auf, pfiff laut und falsch vor sich hin und braute den ersten Kaffee des Tages.

Sophie stand auf dem Balkon und streckte das Gesicht in der Sonne. Das helle Haar fing die warmen Strahlen ein und brach sie in glitzernde Pünktchen. Er meinte, den Geruch ihrer Haut noch in der Nase zu haben. Täuschte er sich oder drückte allein die Haltung ihres Kopfes frischen Lebensmut aus, neue Fröhlichkeit?

Ein warmes Gefühl stieg in seiner Brust auf, zwischen Besitzerstolz und Beschützerinstinkt. Er genoss es für einige Sekunden, dann konzentrierte er sich auf die vor ihm liegenden Sachfragen. Es schien zu früh am Tag, um sich Gedanken über wirklich wichtige Dinge zu machen. Dinge wie Liebe zum Beispiel…

Unter der Dusche legte er sich minuziös den Plan für die Fluchtvorbereitungen zurecht. Zuerst würde er Felix anrufen, seinen ältesten Freund. Er konnte vielleicht andeuten, dass er ein Verhältnis mit einer verheirateten Frau eingegangen war und dass er ein unauffälliges Liebesnest brauchte. Ja, das würde Felix gut verstehen, da würde er mitziehen!

Dann der vorgetäuschte Urlaub. Vermutlich war es das Sicherste, einen dieser 39-Euro-Flüge von Ryanair irgendwohin zu buchen. Nicht zu vergessen die Abstimmung mit seinen Kunden.

Als er rasiert und angezogen war und noch den intensiven Minzgeschmack der Zahncreme im Mund schmeckte, da platzte er beinahe vor Tatendrang und Aufregung. Die Luft, die er in seine Lungen sog, beinhaltete eine Schärfe, eine Frische, die er zuvor nicht wahrgenommen hatte. Die Strahlen der Junisonne hoben alle Dinge konturierter hervor, deutlicher. Sowohl das ferne Rauschen der Umgehungsstraße wie auch das Gedudel eines Radios irgendwo im Haus schienen demselben langsamen Takt zu folgen, in dem sein Herz schlug.

Sophie würde ihm…

Es klingelte.

Sascha erstarrte kurz. Der Plastikgriff der Sprechanlage fühlte sich kalt an in seiner Hand.

„Hallo?“

Keine Antwort, nur das elektronische Rauschen der Leitung. Dann klopfte es direkt an die Tür seiner Wohnung, neben seinem Kopf. Leise, aber nachdrücklich. Automatisch öffnete er, das Gesicht ausdruckslos, mit jagendem Puls.

„Guten Tag, Herr Wagner. Mein Name ist Nicolas Rohmann. Ich möchte gerne mit ihnen sprechen. Dürften wir eintreten?“

Sascha starrte den Mann an. Mitte fünfzig, halb ergrauter Bart, gekleidet in einem cremeweißen Anzug mit Hut. Nicht größer als er selbst, doch auf eine unterschwellige Weise hellwach und präsent. Die dunkelbraunen Augen unter den buschigen Brauen wirkten so hart wie Kieselsteine.

„Ah… nun, ok. Kommen… kommen sie bitte herein.” Sascha fiel beim besten Willen kein geeigneter Grund ein, diesem Mann die Tür vor der Nase zuzuschlagen. Seine ausgestreckte Hand wurde kurz und fest gedrückt.

Nicolas Rohmann trat ein und sah sich um. Allein dadurch nahm er das Territorium in Besitz. Solch oberflächliche Dinge wie das Aufpflanzen eines Banners mit seinem Wappen konnte ein Mann wie er sich sparen.

Hinter ihm folgte ein Hüne und murmelte: „Bernard Vollier. Krankenpfleger.“ Eine weitere Hand zu drücken. Sascha lächelte schmerzverzerrt zu ihm auf und nickte. Die Pranke des Riesen schienen seine Finger zu einer einzigen Masse zusammengequetscht zu haben.

„Bitte – setzen Sie sich doch!“

Sascha wies auf seine Couchgarnitur, obwohl er körperliches Unwohlsein dabei verspürte, diese Männer in seinem Allerheiligsten zu beherbergen.

Rohmann schüttelte den Kopf. Die kurze Geste verwandelte die formal höfliche Einladung in eine lächerliche Zumutung.

„Danke. Wir wollen Sie nicht lange stören. Wir gehen gleich wieder, nur eine Angelegenheit bedarf der Klärung. Sie wissen natürlich, was ich meine.“

Sascha starrte den Mann an. Dieser seufzte und winkte. Bernard trat hinzu und produzierte ein iPad aus der Innentasche seines Jacketts. Als Bernard eine davon betätigte erschien sofort ein unscharfes Bild auf die Kunststoffoberfläche.

Sascha riss die Augen auf und schluckte.

Orangenes Licht, braune Umrisse. Zwei undeutlich zu erkennende Gestalten auf einem breiten Sofa, eng umschlungen und in einem eindeutigen Bewegungsmuster verfallen. Der Ton war fast auf Null herunter gedreht, die Geräusche kaum zu hören. Dennoch war Sascha sicher, dass jedes Wort klar zu verstehen wäre, wenn man lauter stellen würde. Jedes Seufzen, jedes lustvolle Aufkeuchen. Die Kamera musste irgendwo im hinteren Eck des Raumes postiert gewesen sein.

Bernard drückte einen anderen Knopf und der Film verschwand. Sascha schwieg. Er wusste nicht, was er sagen sollte.

„Herr Wagner“, seufzte Rohmann und starrte aus dem Fenster. „Vielleicht sollte ich eingangs einige Dinge klarstellen. Ich bin ihnen nicht böse.“ Er warf ihm einen Seitenblick zu. „Ich habe den Clip nicht angeschaut. Das hat Bernard gemacht, auf meine Anweisung. Ich bin kein Voyeur, ich wollte nur sicherstellen, dass sie meine Tochter gut behandelt haben. Tatsächlich bin ich ihnen sogar dankbar. Verstehen Sie, es ist gut, wenn Sophie mal wieder guten S*x hat, das hilft ihr.“

„Hilft ihr?“, echote Sascha bitter. Rohmann atmete erneut durch und sah ihn eindringlich an.

„Ich weiß, was sie ihnen erzählt hat. Den Anfang der Aufnahme habe ich angesehen.“ Der Mann schnaubte amüsiert. „Verbrecherkönig! Ich sollte mich geehrt fühlen. Dem letzten Liebhaber hat sie weißgemacht, ich würde sie gefangen halten, weil ich ein inzestuöses Verhältnis mit ihr hätte.“

Sascha fühlte sich betäubt. „Das heißt…“, begann er mit belegter Stimme.

Rohmann wandte sich ihm jetzt frontal zu und packte ihn an den Schultern. „Herr Wagner. Meine Tochter ist krank! Sehr krank! Seit ihre Mutter damals starb, da balancierte sie auf dem schmalen Grat zwischen Gesundheit und Wahnsinn. Und als ihr Verlobter sie vor vier Jahren deshalb sitzen ließ, da hat sie das nicht verkraftet. Seitdem lebt sie in einer anderen Welt. Oder in vielen anderen Welten, genauer gesagt. Bernard?“

„Frau Rohmann leidet an einer starken dissoziativen Persönlichkeitsstörung“, sagte der Kleiderschrank. Seine Stimme klang unbeteiligt, so als ob er über ein mäßig interessantes Insekt berichtete. „Kurze Perioden der Klarheit werden immer mehr von Wahnideen mit paranoiden Elementen überlagert. Die medizinischen Prognosen geben leider wenig Grund zur Hoffnung, eine Besserung ist unwahrscheinlich.“

Rohmann drückte seine Finger in Saschas Oberarme, als ob ein Schulleiter einem Oberschüler eine wichtige Botschaft vermitteln wollte.

„Von Rechts wegen müsste sie in eine geschlossene Anstalt. Draußen ist sie eine Gefahr für sich selbst und für andere. Aber verstehen Sie: Ich bringe das nicht übers Herz! Ich sehe ihre Mutter in ihr, jeden Tag! Deshalb versuche ich, auf sie aufzupassen. Ihr zumindest ein kleines Bisschen Normalität zu bieten. Ich bin ein erfolgreicher Unternehmer, ich habe die Mittel dazu.“

Hier ließ er Sascha los und wandte sich zum Fenster. „Ich würde alles hergeben, um sie gesund zu machen“, murmelte er.

„Das ist… ich weiß nicht, was ich sagen soll…“, stotterte Sascha. Welche Erleichterung, dass kein Krimineller vor ihm stand. Tobend, weil er seine einzige Tochter gevögelt hatte! Andererseits verspürte er vagen Verlust wegen der Implosion seiner fantastischen Pläne mit Sophie. Dies war unterlegt von Ärger über sich selbst, dass er sich so von einer Wahnsinnigen aufs Glatteis hatte führen lassen.

Rohmann drehte sich um und sah ihn scharf an. Dann klärte sich seine Miene. „Ah, ich verstehe. Sie glauben mir anscheinend noch nicht. Nein.“ Er winkte ab, als Sascha protestieren wollte, „Das ist nur verständlich. Ich könnte ja alles Mögliche behaupten. Ich könnte ja tatsächlich ein Gangster sein – heute würde sogar mein Anzug dazu passen.“

„Nicht doch“, wehrte Sascha ab.

„Doch, doch!“ Rohmann schnaubte wieder, was bei ihm wohl ein Kichern darstellte. „Ich schlage vor, Sie fragen die unbestechlichste Instanz dieses Planeten: Wikipedia! Haben Sie einen Computer hier?“

„Eh…“ Sascha sah automatisch zum Büro hinüber.

„Gut, gut! Schauen Sie nach! Wikipedia, unter Rohmann!“ Der Industrielle legte ihm die Hand auf den Rücken und schob ihn unwiderstehlich durch seine Wohnung. Sascha ließ zu, dass er ihn zu seinem Bürostuhl bugsierte und hineindrückte. Automatisch drückte er auf die Return-Taste seiner Tastatur. Binnen einer Sekunde erschien das Bild der Windows-Oberfläche. Sascha schaltete seinen Rechner niemals aus.

Rohmann machte eine auffordernde Handbewegung, die auch Ungeduld signalisierte. Sascha beeilte sich, den Browser zu starten und die Wikipedia-Homepage aufzurufen. Er beugte sich vor und studierte das Ergebnis seiner Anfrage:

„Rohmann

Rohmann ist der Familienname folgender Personen:

Anette Rohmann (* 1972), deutsche Psychologin
Dirk Rohmann (* 1975), deutscher Althistoriker
Eva Rohmann (1944–2020), deutsche Politikerin (DFD, SED), Abgeordnete der Volkskammer
Gregor Rohmann (* 1970), deutscher Historiker
Heinrich Rohmann (1853–1942), deutscher Politiker (SPD)
Klaus Rohmann (* 1939), deutscher alt-katholischer Theologe
Nicolas Rohmann (*1965), deutscher Unternehmer
Serge Rohmann (* 1970), luxemburgischer Fußballspieler
Teresa Rohmann (* 1987), deutsche Schwimmerin

Rohmann steht für:
Rohmann GmbH, eine Firma in Frankenthal

Siehe auch:
Romann“

Nach einem Blick auf den Mann neben ihm klickte er auf den Link zu „Nicolas Rohmann“.

„Nicolas Rohmann

Nicolas Theodor Rohmann (* 1965 in Berlin) ist ein erfolgreicher deutscher Unternehmer mit verschiedenen Firmen und Beteiligungen, vor allem in den Branchen Schifffahrt, Spezial-Förderanlagen und Sicherheitselektronik. Seit 2014 ist das gesamte Unternehmensportfolio als Tochtergesellschaften einer Holding organisiert (Rohmann Holding AG) (ehemals Rohmann Verwaltungs-GmbH).

Lebenslauf [Bearbeiten]
Nicolas Rohmann studierte Elektrotechnik an der Universität Karlsruhe, arbeitete danach für zwei Jahre bei Shell in Brasilien und absolvierte ein MBA-Programm in Berkeley, USA. 1992 machte er sich selbständig und entwickelte die ersten internet-gestützten Vermessungs- und Kartographierungsgeräte für die Ölindustrie und andere Rohstoffgewinnung. Die Lizenzeinnahmen investierte er anfangs in Flugzeuge, Schiffe und spekulative Landkäufe in Südamerika, später vornehmlich in junge Unternehmen der New Economy.
Rohmann lebt sehr zurückgezogen und gibt keine Interviews, seit seine Frau Marian 2013 an Krebs starb. Die einzige Tochter Sophie gilt als seelisch labil und daher nicht als mögliche Nachfolgerin seiner Gruppe.
Neben seinen unternehmerischen Aktivitäten engagiert sich Rohmann in verschiedenen karitativen Organisationen, z.B. der Welt-Lungen-Stiftung und der Kindernothilfe. Darüber hinaus fungierte er als Business Angel für eine große Zahl von Gründungsunternehmen in Großbritannien, Brasilien und den USA.

Kategorien: Mann | Geboren 1965 | Unternehmer | Rohmann Holding AG | Ölindustrie“

Rohmann sah ihn an und zog fragend die Augenbrauen hoch.

„Ich glaube ihnen ja!“, meinte Sascha gequält. „Es tut mir leid, wenn ich Sie fälschlicherweise… für einen anderen Menschen gehalten habe. Aber Ihre Tochter…“

„Ja. Sie kann sehr überzeugend sein.“ Rohmann wiegte verständnisvoll sein Haupt. „Hat sie wohl von mir. Ein Jammer. Sie könnte eine tolle Geschäftsfrau sein, wirklich!“

Sascha nickte mechanisch. Innerlich fühlte er sich seltsam leicht und leblos. Der Teich war spiegelglatt.

„Nun gut. Dann will ich ihre Zeit nicht länger in Anspruch nehmen. Ich bin auf einen Empfang in der Handelskammer eingeladen, daher auch dieser Aufzug. Ich danke ihnen für Ihr Verständnis und versichere ihnen nochmals, dass ich nichts Schlechtes von ihnen denke.“

Ein letzter Händedruck, ein Nicken von Bernard, und die Tür schloss sich hinter ihnen. Die Wohnung war wieder still und friedlich. Sascha stand einige Minuten da und starrte die Tür an, bevor er sich schwerfällig in sein Sofa fallen ließ.

Er verspürte den Drang nach einem Kaffee.

Aber er wollte sich nicht der Gefahr aussetzen, blonde Haare wehen zu sehen.

***

Etwas später hielt er es nicht mehr aus. Seine Räume schienen enger um ihn zu werden und ihn zu erdrücken. Er stürmte nach unten und packte sein Rennrad. Beim Losfahren schaffte er es, nur einen einzigen kurzen Kontrollblick zum Balkon gegenüber zu werfen. Leer.

Als er zurückkam, dunkelte es bereits. Er war acht Stunden am Stück gefahren, fast ohne Pause, und hatte sich völlig verausgabt. Der Wirbel seiner Gedanken war zu einem beständigen Druck auf den Schläfen abgeflaut.

Auf dem Parkplatz vor dem Nachbarhaus stand eine riesige, schwarze Limousine. Ein Maybach oder ein Bentley-Spezialumbau. Sascha warf nur einen flüchtigen Blick darauf, dann verstaute er sein Rad, stampfte mit schmerzend schweren Beinen die Treppe hinauf, und ließ sich vor seinen Fernseher fallen.

Bis nach Mitternacht schob er eine DVD nach der anderen in den Schlitz des Players, ohne dass er danach hätte sagen können, welchen Film er sich gerade angeschaut hatte. Doch die grellen Szenen auf dem Bildschirm lenkten gnädig ab von den Bilderfolgen, die sein Kopf produzierte. Der Schlaf später war traumlos, brachte aber kaum Erfrischung.

Beim ersten Kaffee am Morgen warf er aus reiner Gewohnheit einen Blick hinüber.

Hm.

Irgendetwas war anders.

Er sah nochmals hin, aufmerksamer.

Die Vorhänge! Sie waren zurückgezogen und gaben den Blick frei durch die gesamte Wohnung. Die Möbel standen darin, wie er sie gesehen hatte, und doch wirkte alles eigentümlich neutral.

Unbewohnt.

Ein seltsames Kitzeln breitete sich in seinem Bauch aus. Er ging zu seinem Schreibtisch, mechanisch wie eine Aufziehpuppe, und suchte die Nummer der Hausverwaltung in seiner Adressdatei. Beide Wohneinheiten wurden von derselben Verwaltung betreut, so viel wusste er.

„Flexo Hausverwaltung, Viola Meyer am Apparat, guten Morgen? Ah, Herr Wagner! Gibt es ein Problem, oder was kann ich für sie – Das Penthouse gegenüber? Also, das ist ja komisch, dass sie das erwähnen! Ich habe heute früh einen mehr als sonderbaren Anruf erhalten, und seitdem bin ich nur am Rotieren, das kann ich ihnen sagen! Die Firma, die die Wohnung gemietet hat, ist ausgezogen, lässt die Kaution verfallen, und wir sollen uns auch um die Einrichtung kümmern! Stellen Sie sich das vor! Wir sind doch kein Möbelhaus! Und gerade habe ich versucht herauszufinden, wo die Firma überhaupt sitzt, jetzt ist der Registereintrag nicht aufzufinden. Ich kann absolut niemand erreichen! So ein Durcheinander hatte ich nicht, seit – “

Sascha ließ den Hörer auf die Basisstation sinken und widerstand dem Drang, in ein irres Kichern auszubrechen. Dann kam Leben in ihn. Er stürzte an seinen Schreibtisch und tippte wie wild, bis er den Wikipedia-Eintrag wieder auf dem Bildschirm hatte.

„Rohmann ist der Familienname folgender Personen:

Anette Rohmann (* 1972), deutsche Psychologin
Dirk Rohmann (* 1975), deutscher Althistoriker
Eva Rohmann (1944–2020), deutsche Politikerin (DFD, SED), Abgeordnete der Volkskammer
Gregor Rohmann (* 1970), deutscher Historiker
Heinrich Rohmann (1853–1942), deutscher Politiker (SPD)
Klaus Rohmann (* 1939), deutscher alt-katholischer Theologe
Nicolas Rohmann (*1965), deutscher Unternehmer [GELÖSCHT]
Serge Rohmann (* 1970), luxemburgischer Fußballspieler
Teresa Rohmann (* 1987), deutsche Schwimmerin“
Mit einigen Klicks fand er auch wieder den Untereintrag, ebenfalls mit einem großen „GELÖSCHT“ markiert. Im Register „Diskussion“ stand nur ein Eintrag:

„GELÖSCHT – anscheinend ein Fake [Bearbeiten]
Was soll denn dieser Mist hier? Von vorne bis hinten erfunden! Von diesem Nicolas Rohmann hat noch nie jemand etwas gehört! BaryoMano 04.06.2019, 08:15 (CEST)“

Sascha sprang auf, riss die Tür auf und raste das Treppenhaus hinunter.

„Ach, guten Morgen Herr Wagner, Sie sind… Herr Wagner?“ Die neugierige Frau Breckvöller starrte ihm verblüfft nach, wie er grußlos an ihr vorbeistürmte.

Als er die drei Stufen zur Eingangstür des Nachbarhauses nahm, öffnete sich gerade die Tür und ein junger Typ in Anzug und Krawatte kam heraus. Sascha nickte ihm zu und war schon drin. Die Treppe hinauf.

Die Tür des Penthouses war nur angelehnt. Innen Stille. Alle Möbel waren noch da, wo sie auch vor zwei Nächten gestanden hatten. Sonst war alles weg. Kleider, Telefon, Bücher, Zeitschriften. Die Wohnung wirkte wie der Präsentationsstand eines Premium-Anbieters in einem Einrichtungshaus. Gemütlich und geschmackvoll, aber völlig bar jeden Lebens.

Sascha suchte eine Stunde lang nach irgendwelchen Hinweisen, die bei dem unplanmäßigen und vielleicht überstürzten Auszug übersehen wurden. Ohne Erfolg. Schließlich musste er sich eingestehen, dass hier Profis am Werk gewesen waren. Ächzend, wegen des starken Muskelkaters in den Beinen, ließ er sich auf die Couch sinken. Dieselbe Couch, auf der Sophie und er…

Dann denk einfach nicht mehr an sie!, raunte ihm eine Stimme zu. Egal wer oder was sie möglicherweise war oder auch nicht war. Ist doch besser so: klarer Strich, Thema durch! Geh endlich an die Arbeit und kümmere Dich um die Zahlen von Mölking & Weiß. Vergiss die verrückte Nudel! Du siehst doch, dass sie nur Probleme macht. Lieber der gewohnte Trott, ist doch viel gemütlicher! An die Nacht kannst du dich als kleine Flucht aus der Realität erinnern, die war ja richtig gut.

Klang vernünftig, fand Sascha. Dennoch fühlte er sich doppelt so alt und völlig ausgebrannt, als er langsam wieder die Treppe hinunterschlich. Der Gedanke, dass dieses herrlich bunte, wahnwitzige Fenster in eine andere Form der Existenz so plötzlich zugeknallt sein sollte, war fast mehr, als er ertragen konnte.

Mit gesenkten Augen watete er hinaus, in den Hof zwischen den Häusern. Warf nochmals einen Blick hinauf. Auf einmal wusste er, dass er sich bald eine andere Wohnung suchen würde. Dass er die ständige Aussicht auf ihren Balkon nicht aushalten würde.

Da fiel ihm eine bekannte, olivgrüne Form neben den Pflastersteinen ins Auge. Unvermittelt kamen alle seine Gedanken zum Stillstand, so wie ein Spielzeugauto nach dem Aufprall an einer Wand. Lange starrte er nur auf die runde Kerze nieder, die jemand achtlos in den Kies geworfen hatte.

Endlich nahm er sie auf. Das Wachs wies nun auf zwei Seiten Schrammen auf. Das Papier wurde diesmal von einigen gesplitterten und tief in die Kerze gebohrten Streichhölzern gehalten.

„Mein Liebster! Mein Vater hat alles herausgefunden, ich weiß nicht wie! Er bringt mich weg in einen anderen Unterschlupf. Ich habe gelauscht, es muss in einem Industriegebiet in Meerbusch bei Düsseldorf sein. Bitte komm und hol mich raus! Ich liebe dich!!! S.“

Sascha starrte auf das Papier. Was sollte er glauben? Für welche Realität entscheiden? Für die, in der Sophie eine Verrückte war und er ein trauriger Fall von Einsamkeit? Oder für die andere, in der dringend ein Held gebraucht wurde, weil ein aalglatter Verbrecherkönig seine wunderhübsche Tochter gefangen hielt?

Er spürte, wie sich seine Lippen zu einem idiotisch breiten Grinsen verzogen und von selbst zu pfeifen begannen.

Der Tank seines Volvos war noch halb voll. Das müsste bis Düsseldorf reichen…
  • Geschrieben von Dingo
  • Veröffentlicht am 14.01.2022
  • Gelesen: 6591 mal
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