Kapitel 1
Der Geruch von gebratenem Lachs und Dillkartoffeln hing in der Luft, ein vertrautes Aroma, das Elenas Abende ebenso zuverlässig prägte wie der Anblick von Antons Aktentasche auf der Anrichte. Er trat in die Küche, sein Gesicht noch gezeichnet von den geraden Linien und dem gedämpften Licht seines Architekturbüros. Ein Kuss auf ihre Wange, trocken und schnell, eine Geste, die mehr Gewohnheit als Leidenschaft war.
„Guter Tag?“, fragte sie, während sie den Fisch auf die Teller legte.
„Der übliche Wahnsinn. Die Bauherren für das HafenCity-Projekt wollen schon wieder Änderungen.“ Er lockerte seine Krawatte, und die Anspannung schien mit dem Seidenstoff von seinen Schultern zu gleiten. Sie aßen, sprachen über Kollegen und die Notwendigkeit, das Auto zur Inspektion zu bringen. Es war ein gutes Leben, ein sicheres Leben in ihrer makellosen Wohnung in Eppendorf, mit Blick auf die blühenden Kastanienbäume. Doch unter der Oberfläche dieser gepflegten Ruhe spürte Elena eine leise, nagende Monotonie, eine Stille, die sich nicht nur auf die Pausen im Gespräch bezog.
Später, im Schlafzimmer, war es nicht anders. Antons Hände kannten ihren Körper wie eine vertraute Landkarte. Seine Berührungen waren präzise, effizient und zielgerichtet. Er wusste, wo er drücken, wo er streicheln musste, um die erwartete Reaktion hervorzurufen. Es war eine Choreografie, die sie unzählige Male aufgeführt hatten, ein Tanz mit vorhersehbaren Schritten, der immer im selben, zuverlässigen Finale endete. Sie schloss die Augen und ließ es geschehen, spürte das vertraute Ziehen in ihrem Bauch, das sich zu einem Höhepunkt aufbaute. Es war befriedigend, ja, aber es war die Befriedigung, ein Kreuzworträtsel zu lösen, nicht die, sich in einem Sturm zu verlieren. Als er neben ihr zur Ruhe kam, sein Atem gleichmäßig in der Dunkelheit, lag Elena wach und starrte an die Decke. Sie liebte diesen Mann, den Architekten ihres sicheren Lebens, aber sie sehnte sich nach etwas, das sie nicht benennen konnte. Ein Riss in der perfekten Fassade, ein unbekanntes Territorium jenseits der vertrauten Karte ihres Lebens.
Die Veränderung kam in Form einer cremefarbenen, handgeschöpften Karte, die eines Nachmittags in ihrem Briefkasten lag. Die Prägung war tief und elegant, die Schrift geschwungen. Eine Einladung zu Veronikas dreißigstem Geburtstag. Elena kannte den Namen nur vage. Veronika war die Freundin von Lars, einem alten Studienfreund von Anton, den er seit Jahren nicht mehr gesehen hatte.
„Eine Party?“, fragte sie und reichte Anton die Karte. „An der Mecklenburgischen Seenplatte? Das ist ja ein ganzes Wochenende.“
Anton nahm die Karte, und ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, das Elena so lange nicht mehr gesehen hatte. Es war nicht sein übliches, freundliches Lächeln. Es war scharfkantig, geheimnisvoll, voller einer Energie, die seine Augen funkeln ließ. „Oh ja. Lars schmeißt eine große Sause in der Villa seiner Familie. Das wird legendär.“
„Aber wir kennen doch kaum jemanden“, wandte Elena ein. „Und ein ganzes Wochenende…“
„Genau das ist der Punkt.“ Er trat näher, nahm ihr das Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger und zwang sie, ihn anzusehen. Sein Blick war intensiv, fast fiebrig. „Keine Kollegen, keine Verpflichtungen. Nur wir. Und ein paar alte und neue Freunde.“ Er strich ihr über die Wange, und seine Berührung war anders als sonst. Sie war nicht beruhigend, sondern elektrisierend, eine leise Andeutung von etwas Kommendem. „Es wird… anders, Elena. Ein Abenteuer.“
Seine Begeisterung war ansteckend und beunruhigend zugleich. In den folgenden Tagen schien er wie verwandelt. Er sprach ständig von dem Wochenende, aber seine Beschreibungen blieben vage, gespickt mit vieldeutigen Andeutungen und einem wissenden Lächeln. Er schien ein Geheimnis zu hüten, ein Geheimnis, in das er sie einweihen wollte, aber nur Stück für Stück, als würde er ihr ein exquisites, unbekanntes Gericht servieren, dessen Zutaten er nicht verraten wollte. Elena fand sich dabei wieder, wie sie seine Blicke erwiderte, eine Mischung aus Misstrauen und einer aufkeimenden, prickelnden Neugier.
Am Abend vor ihrer Abreise breitete Elena ihre Kleider auf dem Bett aus. Ein Leinenkleid für den Tag, eine bequeme Jeans, ein eleganter Hosenanzug für den Abend. Anton kam ins Zimmer, musterte ihre Auswahl mit einem amüsierten Schnauben und schob alles mit einer Handbewegung zur Seite.
„Nein“, sagte er schlicht. Er ging zu ihrem Kleiderschrank, schob die Bügel beiseite und zog etwas aus der hintersten Ecke. Es war ein Kleid, das sie vor Jahren im Schlussverkauf gekauft, aber nie getragen hatte. Ein Hauch von schwarzer Seide, der mehr enthüllte als verbarg, mit einem Rückenausschnitt, der bis zum Ansatz ihrer Wirbelsäule reichte, und einem Stoff, der sich wie eine zweite Haut an den Körper schmiegte.
„Zieh das an“, befahl er leise. Seine Stimme hatte einen rauen Unterton, den sie nicht kannte. Zögernd gehorchte sie. Die kühle Seide glitt über ihre Haut, und als sie in den Spiegel blickte, erkannte sie sich kaum wieder. Die Frau, die ihr entgegen blickte, war nicht die vernünftige Architekten Gattin aus Eppendorf. Sie war eine Fremde, eine Verheißung. Anton trat hinter sie, legte seine Hände auf ihre nackten Schultern und sah ihr Spiegelbild an. „Perfekt.“
Dann legte er ein kleines, flaches Paket auf das Bett. Es war ein E-Reader. „Für die Reise“, sagte er. „Etwas, das dich in die richtige Stimmung bringt.“ Er küsste ihren Nacken, ein langer, heißer Kuss, der eine Gänsehaut auf ihren Armen hinterließ. „Aber öffne es nicht vor der Fahrt. Versprich es mir.“ Elena nickte, ihr Herz schlug einen unregelmäßigen Takt gegen ihre Rippen. Sie wusste nicht, was sie erwartete, aber zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte sie wieder den aufregenden Schwindel des Unbekannten.
Kapitel 2
Die Villa war ein Statement aus Glas, Stahl und dunklem Holz, das sich an den Hang schmiegte, als wäre es organisch aus der Landschaft gewachsen. Ein Infinity-Pool schien direkt in das saphirblaue Wasser des Sees überzugehen, der sich bis zum Horizont erstreckte. Kiefernwälder säumten das Ufer, und die Luft roch frisch und sauber, eine Mischung aus Harz und feuchter Erde. Es war eine Welt entfernt von dem geschäftigen Treiben Hamburgs, eine Oase des Luxus und der Isolation.
Als sie aus dem Auto stiegen, drang gedämpfte Musik und lautes Lachen aus dem Inneren. Die Atmosphäre war von einer ungezwungenen Sinnlichkeit erfüllt, die Elena sofort spürte. Frauen in fließenden Sommerkleidern lehnten an Männern in Leinenhemden, Berührungen waren häufig und ungeniert, Blicke wurden länger gehalten als üblich. Anton war sofort in seinem Element, begrüßte Lars mit einer lauten, brüderlichen Umarmung und stellte Elena dem Rest der Gruppe vor.
Da war Svenja, die Gastgeberin, eine Frau mit sonnengebräunter Haut und einem Lächeln, das gleichzeitig warm und herausfordernd war. Ihre Augen, ein tiefes Blau, schienen direkt in Elena hineinzusehen. Lars, ihr Mann, war der charmante Mittelpunkt der Party, dessen Lachen ansteckend wirkte. Ein großer, ruhiger Mann namens Karl musterte Elena mit einer stillen Intensität, die sie nervös machte. Neben ihm stand seine Schwester Anja, eine auffallend schöne Frau mit feuerrotem Haar und einer fast schon raubtierhaften Anmut. Und dann war da noch Jana, klein, quirlig, mit Augen, die vor schelmischen Unfug funkelten. Elena fühlte sich wie eine Beobachterin am Rande eines fremden, faszinierenden Stammesrituale, eingeschüchtert und doch unwiderstehlich angezogen.
Das Abendessen fand auf einer weitläufigen Terrasse unter einem Baldachin aus Lichterketten statt. Der Wein floss in Strömen, und die Gespräche wurden lauter, intimer. Es wurde geflirtet, offen und spielerisch, über den Tisch hinweg, unter dem Tisch, mit Blicken, Worten und flüchtigen Berührungen. Elena saß meist schweigend da, nippte an ihrem Wein und beobachtete Anton, der sich mit einer Leichtigkeit bewegte, die sie an ihm bewunderte und die sie gleichzeitig verunsicherte.
Nach dem Essen holte Jana eine Flasche Schnaps und eine Reihe von Gläsern. „Zeit für ein Spiel“, verkündete sie mit einem Grinsen. Es war eine Variante von „Wahrheit oder Pflicht“, aber ohne die Option der Wahrheit. Die Aufgaben waren harmlos am Anfang: einen Witz erzählen, ein Lied singen. Doch mit jedem Glas Schnaps wurden die Hemmungen geringer und die Pflichten kühner. Elena versuchte, sich im Hintergrund zu halten, aber das Schicksal, oder vielleicht Jana, hatte andere Pläne.
„Elena, du bist dran“, sagte Jana und ihre Augen blitzten. „Ich fordere dich auf… Karl einen Kuss zu geben. Aber nicht nur so einen kleinen Schmatzer. Einen richtigen Kuss.“ Ein Raunen ging durch die Gruppe. Elena erstarrte. Sie blickte hilfesuchend zu Anton, aber er lehnte sich nur in seinem Stuhl zurück, ein amüsiertes Lächeln auf den Lippen, und hob sein Glas in einer Geste der Zustimmung. Es gab kein Entkommen. Langsam stand sie auf, ihr Herz hämmerte gegen ihre Rippen. Karl erhob sich ebenfalls, sein Gesicht unleserlich im flackernden Licht der Kerzen. Er trat vor sie, legte eine Hand sanft an ihren Nacken und beugte sich zu ihr herab. Sie schloss die Augen und erwartete eine kurze, unangenehme Berührung. Doch seine Lippen waren weich und überraschend geschickt. Der Kuss war nicht fordernd, aber auch nicht zögerlich. Er war lang, tief und erkundend, eine Lektion in Sinnlichkeit, die sie in ihrer ganzen Ehe noch nicht erfahren hatte. Für einen Moment vergaß sie die Zuschauer, vergaß Anton, vergaß alles außer dem Gefühl seiner Lippen auf ihren. Als er sich zurückzog, ließ er sie zitternd und atemlos zurück. Sie setzte sich, ihr Gesicht brannte. Der Applaus der Gruppe klang wie aus weiter Ferne.
Die Stimmung erreichte ihren Höhepunkt, als der Nachtisch serviert wurde – eine opulente Schokoladentorte für Veronika. Nachdem das Geburtstagslied gesungen war und die Kerzen ausgeblasen waren, erhob Anton sein Glas. „Auf Veronika!“, rief er. Die Gruppe jubelte. „Und“, fuhr er fort, seine Stimme nun lauter, die Aufmerksamkeit aller auf sich ziehend, „für unsere wundervolle Gastgeberin Svenja habe ich ein ganz besonderes Geschenk mitgebracht. Ein Geschenk, das, wie ich hoffe, ihre Gastfreundschaft angemessen würdigt.“
Ein erwartungsvolles Schweigen legte sich über die Terrasse. Elena sah ihn verwirrt an. Er hatte kein Geschenk eingepackt. Anton stellte sein Glas ab und ging langsam auf sie zu. Sein Blick war so intensiv, dass es ihr den Atem raubte. Er blieb vor ihr stehen, und bevor sie reagieren konnte, griff er nach dem Reißverschluss ihres Seidenkleides. Ein leises Surren, und die kühle Abendluft strich über ihren Rücken. Er schob den Stoff von ihren Schultern. Das Kleid fiel mit einem leisen Rascheln zu Boden und bildete eine schwarze Lache um ihre Füße. Er hakte ihren BH auf, ließ ihn fallen. Dann kniete er nieder und zog ihr Höschen langsam ihre Beine hinab. Die Stille war nun absolut, nur unterbrochen vom Zirpen der Grillen und dem fernen Plätschern des Sees.
Elena stand da, völlig nackt, im goldenen Licht der Lichterketten, ausgestellt wie eine Statue. Eine Welle aus Schock, Scham und heißer Demütigung überrollte sie und ließ sie erstarren. Sie konnte sich nicht bewegen, konnte nicht sprechen. Sie spürte die Blicke aller auf ihrer Haut, eine unsichtbare, prickelnde Liebkosung. Unter der Lähmung, unter der Panik, spürte sie etwas anderes, etwas Dunkles und Verbotenes – einen winzigen, verräterischen Funken reiner Erregung. Anton richtete sich auf, nahm ihre Hand und führte sie zu Svenja. Er legte Elenas Hand in die von Svenja und sagte mit einer Stimme, die klar und fest durch die Nacht klang: „Für das Wochenende gehört sie dir.“
Kapitel 3
Die Party hatte sich verlagert, ihre laute, fröhliche Energie war in die Tiefen der Villa gesickert und hatte Elena zurückgelassen. Sie stand allein am Rand des beheizten Innenpools, dessen türkisfarbenes Wasser ein unheimliches Licht an die hohe Decke warf. Nackt. Das Wort hallte in ihrem Kopf wider. Sie war nackt und eine Leihgabe. Eine menschliche Flasche Wein, überreicht als Dankeschön für die Gastfreundschaft. Sie schlang die Arme um ihren Körper, weniger aus Kälte als aus dem verzweifelten Bedürfnis, sich selbst zusammenzuhalten, die zitternden Fragmente ihres alten Ichs zu schützen.
Schritte näherten sich, leise und barfuß auf den kühlen Fliesen. Es war Svenja. Sie trug einen seidenen Kimono, der offen stand und den Blick auf ihren gebräunten, straffen Körper freigab. Sie hielt den E-Reader in der Hand. „Anton meinte, das würde dir helfen, dich vorzubereiten“, sagte sie mit ihrer warmen, leicht rauchigen Stimme. Kein Mitleid schwang darin mit, nur eine ruhige, sachliche Akzeptanz der Situation, als wäre dies das Normalste auf der Welt.
Svenja reichte Elena das Gerät. Ihr Finger tippte auf den Bildschirm und öffnete eine Seite mit einem digitalen Lesezeichen. „Lies das. Es wird dir eine Vorstellung davon geben, was möglich ist.“ Ihre Hand streifte Elenas Schulter, eine flüchtige, beruhigende Berührung, bevor sie sich umdrehte und sie wieder allein ließ. Elena blickte auf den leuchtenden Bildschirm, dann auf ihr Spiegelbild im dunklen Glas der Fensterfront. Eine nackte Frau, allein in einem fremden Haus, am Anfang von etwas, das sie nicht verstand.
Eine Stunde später fand sie sich auf der Rückbank von Karls massivem Geländewagen wieder. Die Ledersitze waren kühl unter ihrer nackten Haut, ein kleiner Schock, der sie aus ihrer Benommenheit riss. Die getönten Scheiben hüllten sie in eine schützende Dunkelheit, eine anonyme Blase, während die Lichter der Villa hinter ihnen verschwanden. Vorn saß Karl am Steuer, seine breiten Schultern zeichneten sich als Silhouette gegen die Scheinwerfer ab. Neben ihm saß Jana, die sich umgedreht hatte und Elena mit einem aufmunternden Lächeln bedachte. „Bequem?“, fragte sie. Elena nickte nur, unfähig zu sprechen.
Ihre Finger zitterten leicht, als sie den E-Reader einschaltete. Der Titel der ersten Geschichte lautete „Das sexy Dinner“. Zögerlich begann sie zu lesen. Die Worte malten ein lebhaftes Bild von einer Frau, die ihren Mann und seine Geschäftspartner bediente, nur mit einer Schürze bekleidet. Die Beschreibungen waren nicht grob oder vulgär, sondern sinnlich und detailliert. Sie beschrieben das Gefühl des kühlen Leinens auf nackter Haut, die Blicke der Männer, die heimliche Erregung der Frau. Etwas in Elena reagierte darauf. Eine Wärme breitete sich von ihrem Schoß aus, ein leises, vertrautes Pochen. Sie presste die Oberschenkel zusammen, aber es half nicht. Die Prosa war ein Brandbeschleuniger für ihre eigene, verwirrte Erregung. Diskret ließ sie eine Hand unter ihren Schenkel gleiten, ihre Finger fanden den feuchten Stoff ihrer eigenen Lust. Mit jedem gelesenen Satz, jeder neuen Fantasie, die auf dem Bildschirm zum Leben erweckt wurde, steigerte sich die Spannung in ihrem Körper. Sie schloss die Augen, ihr Atem ging schneller. Der Höhepunkt kam leise und unerwartet, eine Welle purer, schockierender Lust, die sie erzittern ließ. Als sie die Augen wieder öffnete, sah sie, dass Jana sie beobachtete. In ihrem Blick lag kein Urteil, nur ein wissendes, fast schon stolzes Grinsen. „Alles in Ordnung da hinten, Elena?“ Elenas Gesicht brannte, aber sie nickte.
Die Scham wich einer seltsamen Art von Trotz. Ermutigt durch ihre eigene Reaktion, scrollte sie weiter. Das nächste Kapitel hieß „Das Sommerfest-Wochenende“. Diese Geschichten waren kühner. Sie handelten von öffentlicher Nacktheit am See, von Fesselspielen im Wald, von Unterwerfung, die als Akt der Befreiung dargestellt wurde. Die fiktiven Szenarien verschwammen mit ihrer eigenen Realität. Die Frau in der Geschichte, die nackt durch den Wald geführt wurde – war das nicht sie selbst, in wenigen Stunden, in wenigen Minuten?
Jede Geschichte war ein weiterer Schritt tiefer in diese neue Welt. Ihr Körper, der ihr so lange wie ein zuverlässiges, aber langweiliges Instrument vorgekommen war, wurde zu einem Resonanzkörper für die Worte auf dem Bildschirm. Ein zweiter Orgasmus überkam sie, stärker als der erste, ein lautes, unkontrolliertes Keuchen entrang sich ihrer Kehle. Sie schämte sich nicht mehr. Sie war verloren in diesem Labyrinth aus Text und Empfindung. Vorn hörte sie das leise Flüstern zwischen Jana und Karl. Sie konnte die Worte nicht verstehen, aber der Ton war verschwörerisch, aufgeregt. Die Ungewissheit dessen, was kommen würde, vermischte sich mit dem süßen Nachglühen der Lust und erzeugte einen berauschenden Cocktail aus Angst und Vorfreude.
Kapitel 4
Der Geländewagen bog von der asphaltierten Landstraße ab und holperte über einen schmalen Feldweg, der tief in den Wald führte. Die Äste der Bäume kratzten an den Fenstern wie knöcherne Finger. Schließlich hielt Karl an. Er schaltete den Motor aus, und die plötzliche Stille war ohrenbetäubend, nur durchbrochen vom fernen Ruf eines Käuzchens. Das Scheinwerferlicht schnitt einen gleißenden Keil in die Dunkelheit und beleuchtete tanzende Staubpartikel und eine Wand aus dichten, schattenhaften Bäumen.
Jana stieg aus und öffnete Elenas Tür. Die kühle Nachtluft umfing Elena wie ein nasses Tuch. „Endstation für dich“, sagte Jana, ihre Stimme war eine fröhliche Melodie in der unheimlichen Stille. Sie zeigte auf den dunklen Pfad vor ihnen. „Anjas Haus ist einen Kilometer diesen Weg entlang. Die erste Einfahrt links. Du kannst es nicht verfehlen.“ Jana beugte sich in den Wagen und holte eine kleine, mit Samt ausgelegte Schachtel hervor. Sie öffnete sie. Im Scheinwerferlicht sah Elena eine Auswahl an polierten Metall- und Silikon Gegenständen, deren Zweck sie nur erahnen konnte. Ihr Herz begann zu rasen, ein wilder, gefangener Vogel in ihrem Brustkorb. Dies war kein Spiel mehr. Dies war real.
Jana wählte ein glattes, eiförmiges Objekt aus, das an einem dünnen Draht befestigt war. Sie trug etwas Gleitmittel auf und ihr Blick war dabei so sachlich wie der einer Krankenschwester. „Beine spreizen, Elena.“ Es war keine Bitte. Elena gehorchte mechanisch, ihr Verstand war leer, ihr Körper ein reines Instrument der Erwartung. Das Einführen war ein Schock aus Kälte und Intimität, ein Eindringen, das sie gleichzeitig verletzlich und seltsam lebendig fühlen ließ. Danach holte Jana ein Paar Handschellen aus poliertem Stahl hervor. Das Metall glänzte kalt im Licht.
„Hände auf den Rücken.“ Elenas Arme bewegten sich wie von selbst. Das Klicken der Handschellen, die sich um ihre Handgelenke schlossen, war das endgültige Geräusch, das ihre alte Welt von dieser neuen trennte. Es gab kein Zurück mehr. Jana trat einen Schritt zurück, betrachtete ihr Werk und gab Elena dann einen scharfen, sengenden Klaps auf die rechte Gesäßbacke. „Viel Spaß!“, rief sie mit einem kichernden Unterton. Sie sprang zurück auf den Beifahrersitz, Karl startete den Motor, und mit einem Knirschen von Kies war der Wagen verschwunden. Die roten Rücklichter verblassten in der Dunkelheit und ließen Elena allein zurück.
Die Panik kam wie eine Flutwelle. Allein. Nackt. Gefesselt. Im Wald. Jeder Schatten schien sich zu bewegen, jedes Rascheln von Laub klang wie ein sich nähernder Schritt. Sie wollte schreien, aber ihre Kehle war wie zugeschnürt. Sie machte einen zögerlichen Schritt, dann noch einen, ihre nackten Füße tasteten unsicher über den unebenen Boden. Und dann begann es. Ein tiefes, leises Summen in ihrem Inneren. Das Ei. Es vibrierte, ein sanftes Pulsieren, das sich von ihrem Kern aus in ihren ganzen Körper ausbreitete. Die Schwingungen waren desorientierend, sie unterbrachen den klaren Fluss ihrer Angst und ersetzten ihn durch ein verwirrendes, aufkeimendes Verlangen.
Der Weg wurde zu einem Marsch durch ein Fegefeuer der Sinne. Die Angst vor Entdeckung kämpfte mit der steigenden Flut der Lust. Sie stolperte vorwärts, der Schmerz von spitzen Steinen unter ihren Füßen vermischte sich mit den rhythmischen Stößen des Vibrators. Sie glaubte, das Geräusch eines sich nähernden Autos zu hören – ein fernes, tiefes Brummen. Panik schoss ihr wieder ins Blut. Sie warf sich hinter eine riesige, knorrige Eiche, kauerte sich auf den feuchten Waldboden und presste ihren Körper gegen die raue Rinde. In diesem Moment, in ihrer Haltung der ultimativen Verletzlichkeit, erreichte die Vibration ihren Höhepunkt. Die Frequenz änderte sich, wurde schneller, intensiver, unerbittlich. Der Genuss war zu viel, um ihn zu ertragen. Sie biss sich auf die Lippen, um nicht zu schreien, als ein Orgasmus sie mit der Gewalt eines Blitzes traf, ihren Körper schüttelte und sie kraftlos und zitternd zurückließ.
Die Nachbeben durchzuckten sie noch, als das ferne Geräusch des Autos als das entlarvt wurde, was es war: der Wind in den Wipfeln der Bäume. Sie blieb eine Weile kauern, ihr Atem kam in zittrigen Stößen. Die Angst war nicht verschwunden, aber sie hatte sich verändert. Sie war nun untrennbar mit einem tiefen, unbestreitbaren Kitzel verbunden, dem Reiz, die Kontrolle völlig verloren zu haben. Sie rappelte sich auf, ihre Beine waren schwach. Sie wusste nicht, wer die Fernbedienung hatte – Jana? Karl? Anja? – aber sie wusste, dass sie dieser Person ausgeliefert war. Mit diesem Gedanken, der sowohl erschreckend als auch seltsam tröstlich war, setzte sie ihren Weg fort.
Kapitel 5
Die Dunkelheit des Waldes wich allmählich einem sanfteren Grau, als der Mond durch die Wolken brach. Elena hatte aufgehört zu rennen. Ihre Schritte waren nun langsamer, fast schon meditativ. Jeder Schritt war eine bewusste Handlung, eine Behauptung ihrer selbst gegen die überwältigenden Kräfte, die auf sie einwirkten. Das Ei in ihrem Inneren war zu einem unberechenbaren Begleiter geworden, der sie mal mit sanftem Pulsieren neckte, mal mit aggressiven Vibrationen an den Rand des Wahnsinns trieb. Ihre Füße waren zerkratzt, ihre Haut mit Schmutz und Schweiß bedeckt, aber sie ging weiter.
Dann sah sie es. Eine Lücke zwischen den Bäumen, das schwache Glimmen von künstlichem Licht. Eine Einfahrt, gesäumt von glattem Kies, führte zu einem modernen, flachen Haus, dessen große Fenster wie warme, einladende Augen in der Nacht leuchteten. Hoffnung, vermischt mit einer neuen Welle von Furcht, stieg in ihr auf. War dies das Ziel? War dies die Rettung oder nur die nächste Stufe ihrer Prüfung? Als sie die Einfahrt betrat, änderte sich die Vibration des Eis erneut. Es wurde zu einem langsamen, stetigen Herzschlag, einem Leuchtfeuer, das sie nach Hause führte.
Auf der weitläufigen Holzveranda saß eine Gestalt in einem Schaukelstuhl und bewegte sich sanft vor und zurück. Als Elena näherkam, erkannte sie die Frau aus der Villa: Anja, mit ihrer Mähne aus feuerrotem Haar, das im Licht der Veranda Lampe wie flüssiges Kupfer schien. Anja hörte auf zu schaukeln und sah Elena entgegen, als sie die Stufen erklomm. Ihre Miene war ruhig, ihr Blick kühl und prüfend.
„Wir haben dich schon erwartet, Elena“, sagte Anja. Ihre Stimme war ein tiefes, melodisches Alt, das eine beruhigende Autorität ausstrahlte. „Jana hat angerufen. Sie sagte, du hättest etwas länger gebraucht.“ Kein Anflug von Überraschung oder Mitleid über Elenas Zustand. Nur eine Feststellung. Elena stand vor ihr, nackt, schmutzig, mit gefesselten Händen, und fühlte sich unter diesem ruhigen Blick durchsichtiger und verletzlicher als je zuvor. Erst jetzt bemerkte sie, dass Anja nur ein langes, weites Trägershirt trug. Ihre Beine, lang und muskulös, waren nackt. Darunter trug sie nichts. „Jana sagte, du seist ein Geschenk“, fuhr Anja fort und stand langsam auf. Sie überragte Elena um einen halben Kopf. „Mein Geschenk.“
Sie trat auf Elena zu und ihre Finger, kühl und lang, strichen über Elenas Wange und wischten eine Schmutzspur weg. Dann griff sie hinter Elena und mit einem leisen Klicken öffneten sich die Handschellen. Die plötzliche Freiheit ihrer Arme war fast so schockierend wie die Gefangenschaft. Elena rieb instinktiv ihre Handgelenke, auf denen sich rote Striemen abzeichneten. Anja nahm eine kleine Fernbedienung von einem Beistelltisch. „Aber das hier“, sagte sie und hielt sie hoch, „behalte ich noch eine Weile.“
Anja führte sie nicht ins Haus, sondern deutete auf ein Kissen, das vor dem Schaukelstuhl auf dem Holzboden lag. „Jana hat auch erwähnt, dass du eine schnelle Lernerin bist, wenn es darum geht, eine Frau zu verwöhnen.“ Ihr Blick war direkt und unerbittlich. „Zeig mir, was du kannst.“ Der Befehl hing in der stillen Nachtluft, unabweisbar und absolut. Elenas Verstand war ein Nebel aus Erschöpfung, Angst und einer tiefen, ergebenen Erregung. Sie ließ sich auf die Knie sinken, das raue Kissen kratzte an ihrer Haut.
Sie beugte sich vor, ihr Gesicht auf Höhe von Anjas Schoß. Der Duft der anderen Frau stieg ihr in die Nase – sauber, weiblich, mit einer herben, moschusartigen Note. Zögernd streckte sie die Zunge aus. In dem Moment, in dem ihre Zungenspitze Anjas Haut berührte, spürte sie es. Ein plötzlicher, heftiger Stoß in ihrem Inneren. Anja hatte den Knopf auf der Fernbedienung gedrückt. Ein leises Keuchen entfuhr Elena. Anja lachte leise. „Ja. Genau so.“ Anja spielte mit den Knöpfen, während Elena ihre Aufgabe erfüllte.
Sie orchestrierte die Empfindungen, synchronisierte den Rhythmus der Vibrationen im Inneren von Elena mit den Bewegungen von Elenas Zunge auf ihrem eigenen Körper. Es war eine überwältigende Flut von dualen Sensationen – der Geschmack und die Textur von Anjas Haut, das unerbittliche Pochen in ihrem eigenen Schoß. Sie war nicht länger nur eine Handelnde. Sie war ein Instrument, auf dem eine Meisterin eine Symphonie aus Lust und Unterwerfung spielte.
Der Geruch von gebratenem Lachs und Dillkartoffeln hing in der Luft, ein vertrautes Aroma, das Elenas Abende ebenso zuverlässig prägte wie der Anblick von Antons Aktentasche auf der Anrichte. Er trat in die Küche, sein Gesicht noch gezeichnet von den geraden Linien und dem gedämpften Licht seines Architekturbüros. Ein Kuss auf ihre Wange, trocken und schnell, eine Geste, die mehr Gewohnheit als Leidenschaft war.
„Guter Tag?“, fragte sie, während sie den Fisch auf die Teller legte.
„Der übliche Wahnsinn. Die Bauherren für das HafenCity-Projekt wollen schon wieder Änderungen.“ Er lockerte seine Krawatte, und die Anspannung schien mit dem Seidenstoff von seinen Schultern zu gleiten. Sie aßen, sprachen über Kollegen und die Notwendigkeit, das Auto zur Inspektion zu bringen. Es war ein gutes Leben, ein sicheres Leben in ihrer makellosen Wohnung in Eppendorf, mit Blick auf die blühenden Kastanienbäume. Doch unter der Oberfläche dieser gepflegten Ruhe spürte Elena eine leise, nagende Monotonie, eine Stille, die sich nicht nur auf die Pausen im Gespräch bezog.
Später, im Schlafzimmer, war es nicht anders. Antons Hände kannten ihren Körper wie eine vertraute Landkarte. Seine Berührungen waren präzise, effizient und zielgerichtet. Er wusste, wo er drücken, wo er streicheln musste, um die erwartete Reaktion hervorzurufen. Es war eine Choreografie, die sie unzählige Male aufgeführt hatten, ein Tanz mit vorhersehbaren Schritten, der immer im selben, zuverlässigen Finale endete. Sie schloss die Augen und ließ es geschehen, spürte das vertraute Ziehen in ihrem Bauch, das sich zu einem Höhepunkt aufbaute. Es war befriedigend, ja, aber es war die Befriedigung, ein Kreuzworträtsel zu lösen, nicht die, sich in einem Sturm zu verlieren. Als er neben ihr zur Ruhe kam, sein Atem gleichmäßig in der Dunkelheit, lag Elena wach und starrte an die Decke. Sie liebte diesen Mann, den Architekten ihres sicheren Lebens, aber sie sehnte sich nach etwas, das sie nicht benennen konnte. Ein Riss in der perfekten Fassade, ein unbekanntes Territorium jenseits der vertrauten Karte ihres Lebens.
Die Veränderung kam in Form einer cremefarbenen, handgeschöpften Karte, die eines Nachmittags in ihrem Briefkasten lag. Die Prägung war tief und elegant, die Schrift geschwungen. Eine Einladung zu Veronikas dreißigstem Geburtstag. Elena kannte den Namen nur vage. Veronika war die Freundin von Lars, einem alten Studienfreund von Anton, den er seit Jahren nicht mehr gesehen hatte.
„Eine Party?“, fragte sie und reichte Anton die Karte. „An der Mecklenburgischen Seenplatte? Das ist ja ein ganzes Wochenende.“
Anton nahm die Karte, und ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, das Elena so lange nicht mehr gesehen hatte. Es war nicht sein übliches, freundliches Lächeln. Es war scharfkantig, geheimnisvoll, voller einer Energie, die seine Augen funkeln ließ. „Oh ja. Lars schmeißt eine große Sause in der Villa seiner Familie. Das wird legendär.“
„Aber wir kennen doch kaum jemanden“, wandte Elena ein. „Und ein ganzes Wochenende…“
„Genau das ist der Punkt.“ Er trat näher, nahm ihr das Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger und zwang sie, ihn anzusehen. Sein Blick war intensiv, fast fiebrig. „Keine Kollegen, keine Verpflichtungen. Nur wir. Und ein paar alte und neue Freunde.“ Er strich ihr über die Wange, und seine Berührung war anders als sonst. Sie war nicht beruhigend, sondern elektrisierend, eine leise Andeutung von etwas Kommendem. „Es wird… anders, Elena. Ein Abenteuer.“
Seine Begeisterung war ansteckend und beunruhigend zugleich. In den folgenden Tagen schien er wie verwandelt. Er sprach ständig von dem Wochenende, aber seine Beschreibungen blieben vage, gespickt mit vieldeutigen Andeutungen und einem wissenden Lächeln. Er schien ein Geheimnis zu hüten, ein Geheimnis, in das er sie einweihen wollte, aber nur Stück für Stück, als würde er ihr ein exquisites, unbekanntes Gericht servieren, dessen Zutaten er nicht verraten wollte. Elena fand sich dabei wieder, wie sie seine Blicke erwiderte, eine Mischung aus Misstrauen und einer aufkeimenden, prickelnden Neugier.
Am Abend vor ihrer Abreise breitete Elena ihre Kleider auf dem Bett aus. Ein Leinenkleid für den Tag, eine bequeme Jeans, ein eleganter Hosenanzug für den Abend. Anton kam ins Zimmer, musterte ihre Auswahl mit einem amüsierten Schnauben und schob alles mit einer Handbewegung zur Seite.
„Nein“, sagte er schlicht. Er ging zu ihrem Kleiderschrank, schob die Bügel beiseite und zog etwas aus der hintersten Ecke. Es war ein Kleid, das sie vor Jahren im Schlussverkauf gekauft, aber nie getragen hatte. Ein Hauch von schwarzer Seide, der mehr enthüllte als verbarg, mit einem Rückenausschnitt, der bis zum Ansatz ihrer Wirbelsäule reichte, und einem Stoff, der sich wie eine zweite Haut an den Körper schmiegte.
„Zieh das an“, befahl er leise. Seine Stimme hatte einen rauen Unterton, den sie nicht kannte. Zögernd gehorchte sie. Die kühle Seide glitt über ihre Haut, und als sie in den Spiegel blickte, erkannte sie sich kaum wieder. Die Frau, die ihr entgegen blickte, war nicht die vernünftige Architekten Gattin aus Eppendorf. Sie war eine Fremde, eine Verheißung. Anton trat hinter sie, legte seine Hände auf ihre nackten Schultern und sah ihr Spiegelbild an. „Perfekt.“
Dann legte er ein kleines, flaches Paket auf das Bett. Es war ein E-Reader. „Für die Reise“, sagte er. „Etwas, das dich in die richtige Stimmung bringt.“ Er küsste ihren Nacken, ein langer, heißer Kuss, der eine Gänsehaut auf ihren Armen hinterließ. „Aber öffne es nicht vor der Fahrt. Versprich es mir.“ Elena nickte, ihr Herz schlug einen unregelmäßigen Takt gegen ihre Rippen. Sie wusste nicht, was sie erwartete, aber zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte sie wieder den aufregenden Schwindel des Unbekannten.
Kapitel 2
Die Villa war ein Statement aus Glas, Stahl und dunklem Holz, das sich an den Hang schmiegte, als wäre es organisch aus der Landschaft gewachsen. Ein Infinity-Pool schien direkt in das saphirblaue Wasser des Sees überzugehen, der sich bis zum Horizont erstreckte. Kiefernwälder säumten das Ufer, und die Luft roch frisch und sauber, eine Mischung aus Harz und feuchter Erde. Es war eine Welt entfernt von dem geschäftigen Treiben Hamburgs, eine Oase des Luxus und der Isolation.
Als sie aus dem Auto stiegen, drang gedämpfte Musik und lautes Lachen aus dem Inneren. Die Atmosphäre war von einer ungezwungenen Sinnlichkeit erfüllt, die Elena sofort spürte. Frauen in fließenden Sommerkleidern lehnten an Männern in Leinenhemden, Berührungen waren häufig und ungeniert, Blicke wurden länger gehalten als üblich. Anton war sofort in seinem Element, begrüßte Lars mit einer lauten, brüderlichen Umarmung und stellte Elena dem Rest der Gruppe vor.
Da war Svenja, die Gastgeberin, eine Frau mit sonnengebräunter Haut und einem Lächeln, das gleichzeitig warm und herausfordernd war. Ihre Augen, ein tiefes Blau, schienen direkt in Elena hineinzusehen. Lars, ihr Mann, war der charmante Mittelpunkt der Party, dessen Lachen ansteckend wirkte. Ein großer, ruhiger Mann namens Karl musterte Elena mit einer stillen Intensität, die sie nervös machte. Neben ihm stand seine Schwester Anja, eine auffallend schöne Frau mit feuerrotem Haar und einer fast schon raubtierhaften Anmut. Und dann war da noch Jana, klein, quirlig, mit Augen, die vor schelmischen Unfug funkelten. Elena fühlte sich wie eine Beobachterin am Rande eines fremden, faszinierenden Stammesrituale, eingeschüchtert und doch unwiderstehlich angezogen.
Das Abendessen fand auf einer weitläufigen Terrasse unter einem Baldachin aus Lichterketten statt. Der Wein floss in Strömen, und die Gespräche wurden lauter, intimer. Es wurde geflirtet, offen und spielerisch, über den Tisch hinweg, unter dem Tisch, mit Blicken, Worten und flüchtigen Berührungen. Elena saß meist schweigend da, nippte an ihrem Wein und beobachtete Anton, der sich mit einer Leichtigkeit bewegte, die sie an ihm bewunderte und die sie gleichzeitig verunsicherte.
Nach dem Essen holte Jana eine Flasche Schnaps und eine Reihe von Gläsern. „Zeit für ein Spiel“, verkündete sie mit einem Grinsen. Es war eine Variante von „Wahrheit oder Pflicht“, aber ohne die Option der Wahrheit. Die Aufgaben waren harmlos am Anfang: einen Witz erzählen, ein Lied singen. Doch mit jedem Glas Schnaps wurden die Hemmungen geringer und die Pflichten kühner. Elena versuchte, sich im Hintergrund zu halten, aber das Schicksal, oder vielleicht Jana, hatte andere Pläne.
„Elena, du bist dran“, sagte Jana und ihre Augen blitzten. „Ich fordere dich auf… Karl einen Kuss zu geben. Aber nicht nur so einen kleinen Schmatzer. Einen richtigen Kuss.“ Ein Raunen ging durch die Gruppe. Elena erstarrte. Sie blickte hilfesuchend zu Anton, aber er lehnte sich nur in seinem Stuhl zurück, ein amüsiertes Lächeln auf den Lippen, und hob sein Glas in einer Geste der Zustimmung. Es gab kein Entkommen. Langsam stand sie auf, ihr Herz hämmerte gegen ihre Rippen. Karl erhob sich ebenfalls, sein Gesicht unleserlich im flackernden Licht der Kerzen. Er trat vor sie, legte eine Hand sanft an ihren Nacken und beugte sich zu ihr herab. Sie schloss die Augen und erwartete eine kurze, unangenehme Berührung. Doch seine Lippen waren weich und überraschend geschickt. Der Kuss war nicht fordernd, aber auch nicht zögerlich. Er war lang, tief und erkundend, eine Lektion in Sinnlichkeit, die sie in ihrer ganzen Ehe noch nicht erfahren hatte. Für einen Moment vergaß sie die Zuschauer, vergaß Anton, vergaß alles außer dem Gefühl seiner Lippen auf ihren. Als er sich zurückzog, ließ er sie zitternd und atemlos zurück. Sie setzte sich, ihr Gesicht brannte. Der Applaus der Gruppe klang wie aus weiter Ferne.
Die Stimmung erreichte ihren Höhepunkt, als der Nachtisch serviert wurde – eine opulente Schokoladentorte für Veronika. Nachdem das Geburtstagslied gesungen war und die Kerzen ausgeblasen waren, erhob Anton sein Glas. „Auf Veronika!“, rief er. Die Gruppe jubelte. „Und“, fuhr er fort, seine Stimme nun lauter, die Aufmerksamkeit aller auf sich ziehend, „für unsere wundervolle Gastgeberin Svenja habe ich ein ganz besonderes Geschenk mitgebracht. Ein Geschenk, das, wie ich hoffe, ihre Gastfreundschaft angemessen würdigt.“
Ein erwartungsvolles Schweigen legte sich über die Terrasse. Elena sah ihn verwirrt an. Er hatte kein Geschenk eingepackt. Anton stellte sein Glas ab und ging langsam auf sie zu. Sein Blick war so intensiv, dass es ihr den Atem raubte. Er blieb vor ihr stehen, und bevor sie reagieren konnte, griff er nach dem Reißverschluss ihres Seidenkleides. Ein leises Surren, und die kühle Abendluft strich über ihren Rücken. Er schob den Stoff von ihren Schultern. Das Kleid fiel mit einem leisen Rascheln zu Boden und bildete eine schwarze Lache um ihre Füße. Er hakte ihren BH auf, ließ ihn fallen. Dann kniete er nieder und zog ihr Höschen langsam ihre Beine hinab. Die Stille war nun absolut, nur unterbrochen vom Zirpen der Grillen und dem fernen Plätschern des Sees.
Elena stand da, völlig nackt, im goldenen Licht der Lichterketten, ausgestellt wie eine Statue. Eine Welle aus Schock, Scham und heißer Demütigung überrollte sie und ließ sie erstarren. Sie konnte sich nicht bewegen, konnte nicht sprechen. Sie spürte die Blicke aller auf ihrer Haut, eine unsichtbare, prickelnde Liebkosung. Unter der Lähmung, unter der Panik, spürte sie etwas anderes, etwas Dunkles und Verbotenes – einen winzigen, verräterischen Funken reiner Erregung. Anton richtete sich auf, nahm ihre Hand und führte sie zu Svenja. Er legte Elenas Hand in die von Svenja und sagte mit einer Stimme, die klar und fest durch die Nacht klang: „Für das Wochenende gehört sie dir.“
Kapitel 3
Die Party hatte sich verlagert, ihre laute, fröhliche Energie war in die Tiefen der Villa gesickert und hatte Elena zurückgelassen. Sie stand allein am Rand des beheizten Innenpools, dessen türkisfarbenes Wasser ein unheimliches Licht an die hohe Decke warf. Nackt. Das Wort hallte in ihrem Kopf wider. Sie war nackt und eine Leihgabe. Eine menschliche Flasche Wein, überreicht als Dankeschön für die Gastfreundschaft. Sie schlang die Arme um ihren Körper, weniger aus Kälte als aus dem verzweifelten Bedürfnis, sich selbst zusammenzuhalten, die zitternden Fragmente ihres alten Ichs zu schützen.
Schritte näherten sich, leise und barfuß auf den kühlen Fliesen. Es war Svenja. Sie trug einen seidenen Kimono, der offen stand und den Blick auf ihren gebräunten, straffen Körper freigab. Sie hielt den E-Reader in der Hand. „Anton meinte, das würde dir helfen, dich vorzubereiten“, sagte sie mit ihrer warmen, leicht rauchigen Stimme. Kein Mitleid schwang darin mit, nur eine ruhige, sachliche Akzeptanz der Situation, als wäre dies das Normalste auf der Welt.
Svenja reichte Elena das Gerät. Ihr Finger tippte auf den Bildschirm und öffnete eine Seite mit einem digitalen Lesezeichen. „Lies das. Es wird dir eine Vorstellung davon geben, was möglich ist.“ Ihre Hand streifte Elenas Schulter, eine flüchtige, beruhigende Berührung, bevor sie sich umdrehte und sie wieder allein ließ. Elena blickte auf den leuchtenden Bildschirm, dann auf ihr Spiegelbild im dunklen Glas der Fensterfront. Eine nackte Frau, allein in einem fremden Haus, am Anfang von etwas, das sie nicht verstand.
Eine Stunde später fand sie sich auf der Rückbank von Karls massivem Geländewagen wieder. Die Ledersitze waren kühl unter ihrer nackten Haut, ein kleiner Schock, der sie aus ihrer Benommenheit riss. Die getönten Scheiben hüllten sie in eine schützende Dunkelheit, eine anonyme Blase, während die Lichter der Villa hinter ihnen verschwanden. Vorn saß Karl am Steuer, seine breiten Schultern zeichneten sich als Silhouette gegen die Scheinwerfer ab. Neben ihm saß Jana, die sich umgedreht hatte und Elena mit einem aufmunternden Lächeln bedachte. „Bequem?“, fragte sie. Elena nickte nur, unfähig zu sprechen.
Ihre Finger zitterten leicht, als sie den E-Reader einschaltete. Der Titel der ersten Geschichte lautete „Das sexy Dinner“. Zögerlich begann sie zu lesen. Die Worte malten ein lebhaftes Bild von einer Frau, die ihren Mann und seine Geschäftspartner bediente, nur mit einer Schürze bekleidet. Die Beschreibungen waren nicht grob oder vulgär, sondern sinnlich und detailliert. Sie beschrieben das Gefühl des kühlen Leinens auf nackter Haut, die Blicke der Männer, die heimliche Erregung der Frau. Etwas in Elena reagierte darauf. Eine Wärme breitete sich von ihrem Schoß aus, ein leises, vertrautes Pochen. Sie presste die Oberschenkel zusammen, aber es half nicht. Die Prosa war ein Brandbeschleuniger für ihre eigene, verwirrte Erregung. Diskret ließ sie eine Hand unter ihren Schenkel gleiten, ihre Finger fanden den feuchten Stoff ihrer eigenen Lust. Mit jedem gelesenen Satz, jeder neuen Fantasie, die auf dem Bildschirm zum Leben erweckt wurde, steigerte sich die Spannung in ihrem Körper. Sie schloss die Augen, ihr Atem ging schneller. Der Höhepunkt kam leise und unerwartet, eine Welle purer, schockierender Lust, die sie erzittern ließ. Als sie die Augen wieder öffnete, sah sie, dass Jana sie beobachtete. In ihrem Blick lag kein Urteil, nur ein wissendes, fast schon stolzes Grinsen. „Alles in Ordnung da hinten, Elena?“ Elenas Gesicht brannte, aber sie nickte.
Die Scham wich einer seltsamen Art von Trotz. Ermutigt durch ihre eigene Reaktion, scrollte sie weiter. Das nächste Kapitel hieß „Das Sommerfest-Wochenende“. Diese Geschichten waren kühner. Sie handelten von öffentlicher Nacktheit am See, von Fesselspielen im Wald, von Unterwerfung, die als Akt der Befreiung dargestellt wurde. Die fiktiven Szenarien verschwammen mit ihrer eigenen Realität. Die Frau in der Geschichte, die nackt durch den Wald geführt wurde – war das nicht sie selbst, in wenigen Stunden, in wenigen Minuten?
Jede Geschichte war ein weiterer Schritt tiefer in diese neue Welt. Ihr Körper, der ihr so lange wie ein zuverlässiges, aber langweiliges Instrument vorgekommen war, wurde zu einem Resonanzkörper für die Worte auf dem Bildschirm. Ein zweiter Orgasmus überkam sie, stärker als der erste, ein lautes, unkontrolliertes Keuchen entrang sich ihrer Kehle. Sie schämte sich nicht mehr. Sie war verloren in diesem Labyrinth aus Text und Empfindung. Vorn hörte sie das leise Flüstern zwischen Jana und Karl. Sie konnte die Worte nicht verstehen, aber der Ton war verschwörerisch, aufgeregt. Die Ungewissheit dessen, was kommen würde, vermischte sich mit dem süßen Nachglühen der Lust und erzeugte einen berauschenden Cocktail aus Angst und Vorfreude.
Kapitel 4
Der Geländewagen bog von der asphaltierten Landstraße ab und holperte über einen schmalen Feldweg, der tief in den Wald führte. Die Äste der Bäume kratzten an den Fenstern wie knöcherne Finger. Schließlich hielt Karl an. Er schaltete den Motor aus, und die plötzliche Stille war ohrenbetäubend, nur durchbrochen vom fernen Ruf eines Käuzchens. Das Scheinwerferlicht schnitt einen gleißenden Keil in die Dunkelheit und beleuchtete tanzende Staubpartikel und eine Wand aus dichten, schattenhaften Bäumen.
Jana stieg aus und öffnete Elenas Tür. Die kühle Nachtluft umfing Elena wie ein nasses Tuch. „Endstation für dich“, sagte Jana, ihre Stimme war eine fröhliche Melodie in der unheimlichen Stille. Sie zeigte auf den dunklen Pfad vor ihnen. „Anjas Haus ist einen Kilometer diesen Weg entlang. Die erste Einfahrt links. Du kannst es nicht verfehlen.“ Jana beugte sich in den Wagen und holte eine kleine, mit Samt ausgelegte Schachtel hervor. Sie öffnete sie. Im Scheinwerferlicht sah Elena eine Auswahl an polierten Metall- und Silikon Gegenständen, deren Zweck sie nur erahnen konnte. Ihr Herz begann zu rasen, ein wilder, gefangener Vogel in ihrem Brustkorb. Dies war kein Spiel mehr. Dies war real.
Jana wählte ein glattes, eiförmiges Objekt aus, das an einem dünnen Draht befestigt war. Sie trug etwas Gleitmittel auf und ihr Blick war dabei so sachlich wie der einer Krankenschwester. „Beine spreizen, Elena.“ Es war keine Bitte. Elena gehorchte mechanisch, ihr Verstand war leer, ihr Körper ein reines Instrument der Erwartung. Das Einführen war ein Schock aus Kälte und Intimität, ein Eindringen, das sie gleichzeitig verletzlich und seltsam lebendig fühlen ließ. Danach holte Jana ein Paar Handschellen aus poliertem Stahl hervor. Das Metall glänzte kalt im Licht.
„Hände auf den Rücken.“ Elenas Arme bewegten sich wie von selbst. Das Klicken der Handschellen, die sich um ihre Handgelenke schlossen, war das endgültige Geräusch, das ihre alte Welt von dieser neuen trennte. Es gab kein Zurück mehr. Jana trat einen Schritt zurück, betrachtete ihr Werk und gab Elena dann einen scharfen, sengenden Klaps auf die rechte Gesäßbacke. „Viel Spaß!“, rief sie mit einem kichernden Unterton. Sie sprang zurück auf den Beifahrersitz, Karl startete den Motor, und mit einem Knirschen von Kies war der Wagen verschwunden. Die roten Rücklichter verblassten in der Dunkelheit und ließen Elena allein zurück.
Die Panik kam wie eine Flutwelle. Allein. Nackt. Gefesselt. Im Wald. Jeder Schatten schien sich zu bewegen, jedes Rascheln von Laub klang wie ein sich nähernder Schritt. Sie wollte schreien, aber ihre Kehle war wie zugeschnürt. Sie machte einen zögerlichen Schritt, dann noch einen, ihre nackten Füße tasteten unsicher über den unebenen Boden. Und dann begann es. Ein tiefes, leises Summen in ihrem Inneren. Das Ei. Es vibrierte, ein sanftes Pulsieren, das sich von ihrem Kern aus in ihren ganzen Körper ausbreitete. Die Schwingungen waren desorientierend, sie unterbrachen den klaren Fluss ihrer Angst und ersetzten ihn durch ein verwirrendes, aufkeimendes Verlangen.
Der Weg wurde zu einem Marsch durch ein Fegefeuer der Sinne. Die Angst vor Entdeckung kämpfte mit der steigenden Flut der Lust. Sie stolperte vorwärts, der Schmerz von spitzen Steinen unter ihren Füßen vermischte sich mit den rhythmischen Stößen des Vibrators. Sie glaubte, das Geräusch eines sich nähernden Autos zu hören – ein fernes, tiefes Brummen. Panik schoss ihr wieder ins Blut. Sie warf sich hinter eine riesige, knorrige Eiche, kauerte sich auf den feuchten Waldboden und presste ihren Körper gegen die raue Rinde. In diesem Moment, in ihrer Haltung der ultimativen Verletzlichkeit, erreichte die Vibration ihren Höhepunkt. Die Frequenz änderte sich, wurde schneller, intensiver, unerbittlich. Der Genuss war zu viel, um ihn zu ertragen. Sie biss sich auf die Lippen, um nicht zu schreien, als ein Orgasmus sie mit der Gewalt eines Blitzes traf, ihren Körper schüttelte und sie kraftlos und zitternd zurückließ.
Die Nachbeben durchzuckten sie noch, als das ferne Geräusch des Autos als das entlarvt wurde, was es war: der Wind in den Wipfeln der Bäume. Sie blieb eine Weile kauern, ihr Atem kam in zittrigen Stößen. Die Angst war nicht verschwunden, aber sie hatte sich verändert. Sie war nun untrennbar mit einem tiefen, unbestreitbaren Kitzel verbunden, dem Reiz, die Kontrolle völlig verloren zu haben. Sie rappelte sich auf, ihre Beine waren schwach. Sie wusste nicht, wer die Fernbedienung hatte – Jana? Karl? Anja? – aber sie wusste, dass sie dieser Person ausgeliefert war. Mit diesem Gedanken, der sowohl erschreckend als auch seltsam tröstlich war, setzte sie ihren Weg fort.
Kapitel 5
Die Dunkelheit des Waldes wich allmählich einem sanfteren Grau, als der Mond durch die Wolken brach. Elena hatte aufgehört zu rennen. Ihre Schritte waren nun langsamer, fast schon meditativ. Jeder Schritt war eine bewusste Handlung, eine Behauptung ihrer selbst gegen die überwältigenden Kräfte, die auf sie einwirkten. Das Ei in ihrem Inneren war zu einem unberechenbaren Begleiter geworden, der sie mal mit sanftem Pulsieren neckte, mal mit aggressiven Vibrationen an den Rand des Wahnsinns trieb. Ihre Füße waren zerkratzt, ihre Haut mit Schmutz und Schweiß bedeckt, aber sie ging weiter.
Dann sah sie es. Eine Lücke zwischen den Bäumen, das schwache Glimmen von künstlichem Licht. Eine Einfahrt, gesäumt von glattem Kies, führte zu einem modernen, flachen Haus, dessen große Fenster wie warme, einladende Augen in der Nacht leuchteten. Hoffnung, vermischt mit einer neuen Welle von Furcht, stieg in ihr auf. War dies das Ziel? War dies die Rettung oder nur die nächste Stufe ihrer Prüfung? Als sie die Einfahrt betrat, änderte sich die Vibration des Eis erneut. Es wurde zu einem langsamen, stetigen Herzschlag, einem Leuchtfeuer, das sie nach Hause führte.
Auf der weitläufigen Holzveranda saß eine Gestalt in einem Schaukelstuhl und bewegte sich sanft vor und zurück. Als Elena näherkam, erkannte sie die Frau aus der Villa: Anja, mit ihrer Mähne aus feuerrotem Haar, das im Licht der Veranda Lampe wie flüssiges Kupfer schien. Anja hörte auf zu schaukeln und sah Elena entgegen, als sie die Stufen erklomm. Ihre Miene war ruhig, ihr Blick kühl und prüfend.
„Wir haben dich schon erwartet, Elena“, sagte Anja. Ihre Stimme war ein tiefes, melodisches Alt, das eine beruhigende Autorität ausstrahlte. „Jana hat angerufen. Sie sagte, du hättest etwas länger gebraucht.“ Kein Anflug von Überraschung oder Mitleid über Elenas Zustand. Nur eine Feststellung. Elena stand vor ihr, nackt, schmutzig, mit gefesselten Händen, und fühlte sich unter diesem ruhigen Blick durchsichtiger und verletzlicher als je zuvor. Erst jetzt bemerkte sie, dass Anja nur ein langes, weites Trägershirt trug. Ihre Beine, lang und muskulös, waren nackt. Darunter trug sie nichts. „Jana sagte, du seist ein Geschenk“, fuhr Anja fort und stand langsam auf. Sie überragte Elena um einen halben Kopf. „Mein Geschenk.“
Sie trat auf Elena zu und ihre Finger, kühl und lang, strichen über Elenas Wange und wischten eine Schmutzspur weg. Dann griff sie hinter Elena und mit einem leisen Klicken öffneten sich die Handschellen. Die plötzliche Freiheit ihrer Arme war fast so schockierend wie die Gefangenschaft. Elena rieb instinktiv ihre Handgelenke, auf denen sich rote Striemen abzeichneten. Anja nahm eine kleine Fernbedienung von einem Beistelltisch. „Aber das hier“, sagte sie und hielt sie hoch, „behalte ich noch eine Weile.“
Anja führte sie nicht ins Haus, sondern deutete auf ein Kissen, das vor dem Schaukelstuhl auf dem Holzboden lag. „Jana hat auch erwähnt, dass du eine schnelle Lernerin bist, wenn es darum geht, eine Frau zu verwöhnen.“ Ihr Blick war direkt und unerbittlich. „Zeig mir, was du kannst.“ Der Befehl hing in der stillen Nachtluft, unabweisbar und absolut. Elenas Verstand war ein Nebel aus Erschöpfung, Angst und einer tiefen, ergebenen Erregung. Sie ließ sich auf die Knie sinken, das raue Kissen kratzte an ihrer Haut.
Sie beugte sich vor, ihr Gesicht auf Höhe von Anjas Schoß. Der Duft der anderen Frau stieg ihr in die Nase – sauber, weiblich, mit einer herben, moschusartigen Note. Zögernd streckte sie die Zunge aus. In dem Moment, in dem ihre Zungenspitze Anjas Haut berührte, spürte sie es. Ein plötzlicher, heftiger Stoß in ihrem Inneren. Anja hatte den Knopf auf der Fernbedienung gedrückt. Ein leises Keuchen entfuhr Elena. Anja lachte leise. „Ja. Genau so.“ Anja spielte mit den Knöpfen, während Elena ihre Aufgabe erfüllte.
Sie orchestrierte die Empfindungen, synchronisierte den Rhythmus der Vibrationen im Inneren von Elena mit den Bewegungen von Elenas Zunge auf ihrem eigenen Körper. Es war eine überwältigende Flut von dualen Sensationen – der Geschmack und die Textur von Anjas Haut, das unerbittliche Pochen in ihrem eigenen Schoß. Sie war nicht länger nur eine Handelnde. Sie war ein Instrument, auf dem eine Meisterin eine Symphonie aus Lust und Unterwerfung spielte.
Kommentare
CSV22.07.2025 22:18
Dank an Cassiestone für diese genial erzählte Geschichte!
Ganz viele von mir gelesene "Frauenbücher" handeln von ihrem Ausbruch aus der "Vorstadt-Ehe-Kinderaufzucht-Welt" in eine eher ungezügelte Sexualität-Welt. Hier organisiert der Ehemann den Ausbruch ... geht es weiter?
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