Das Hotel lag am Westufer zwischen Nussdorf und Unterach und bot einen Ausblick auf das Höllengebirge, der als Sehenswürdigkeit gehandelt wurde. Die Phänomene ordneten sich im Spektrum einer perfekten Kurbadkulisse.
Der See war ein Gigant. Der Landesgrößte. Unfassbar tief mitunter.
Die Horizontlinie markierten verschiedene Blau.
Ihr Liebster würde erst am Abend kommen. Er hatte in Wien noch eine Präsentation. Für ihn war es einer dieser durchgetakteten Tage, die kaum Raum zum Atmen ließen.
Lindenblüten aromatisierten die Luft. Sie setzte sich ans Ufer, befreite ihre Füße und ließ sie baumeln. Das war eine Hommage an kindliche Saumseligkeit. Das Wasser war kälter, als sie erwartet hatte. Sie sah bis auf den Grund.
Manche sagen, er merkt sich deine Träume.
Später flanierte sich nach Weyregg. Sie kannte die Geschichte vom versunkenen Kloster zu Weyregg. Die Mär vom grundreinen Glockengeläut. Vom Klang aus der Tiefe.
Sina war empfänglich für mythologische Alltagsüberschreibungen volkstümlicher Provenienz. Sie trug ein leichtes Sommerkleid, das weniger wog als der flüchtigste Gedanke. Es war ein Fluss aus Baumwolle, elfenbeinfarben, mit kaum sichtbaren Stickereien entlang des Ausschnitts. Die Träger waren schmal, der Rücken frei. Der Stoff zeigte eine Tendenz zur Transparenz und schmiegte sich an die Taille wie eine zärtliche Hand. Das Kleid sagte: „Ich kann es kaum erwarten, dass du kommst.“
Manchmal war der See ein gleißender Spiegel. Die Römer hatten die Ufer als Rastplatz entlang der Handelsrouten zwischen Lauriacum (heute Enns) und dem Alpenraum genutzt. Im 19. Jahrhundert avancierte der See zu einem Magneten des Bildungsbürgertums. Gustav Klimt malte hier einige seiner berühmten Landschaften, die Sommerfrische wurde Kult. Die Dörfer rund um den See - Weyregg, Seewalchen, Steinbach - besaßen noch Anmutungen des Habsburger Belle Époque-Flairs.
Der Attersee liegt in einer tektonischen Mulde, die von eiszeitlichen Gletschern vertieft wurde. Die umgebenden Berge bestehen aus Dachsteinkalk. Eine Sage erzählt vom Wassermann. Er bewohnt eine Kristallhöhle und bewacht einen Schatz. Leichtsinnige zieht er in den Tod. Verheiratet ist er mit einer Sirene, der man ein Verhältnis mit dem Drachen nachsagt, der im Höllengebirge haust.
Gesäumt von einem Kranz mächtiger Kastanienbäume lag das Café direkt am Wasser. Auf dem Schild über der Tür stand in geschwungenen Lettern: „Café Seeblick - seit 1898“.
Sina wählte einen Platz auf der Veranda. Sie setzte sich an einen Tisch mit Marmorplatte und gusseisernem Fuß. Die Kellnerin sah nach Ferienjob aus. Sina bestellte einen Verlängerten und Marillenkuchen.
Wenig später stand ein feines Mokkaservice mit Goldrand vor ihr. Der Kuchen dampfte. Die Marillen glänzten unter dem Gitterteig. Ein Klecks Schlagobers schmolz am Tellerrand.
Sina war zu schön, um lange unangesprochen zu bleiben. Ein Panamahutträger im Leinenanzug nahm sich die Freiheit.
„Verzeihen Sie, gnädige Frau“, sagte er. „Darf ich raten? Marillenkuchen - noch warm?“
Sina hob eine Braue.
„Richtig. Aber raten Sie nicht weiter, sonst wird es persönlich.“
Er lachte zuversichtlich.
„Ich verspreche diskrete Zurückhaltung - ganz im Stil der alten Schule. Ich bin nur ein Liebhaber guter Cafés. Und schöner Nachmittage.“
Theatralisch ließ er den Blick schweifen.
„Darf ich mich vorstellen? Jules - Jules von Ehrenthal. Zumindest früher, im Theaterprogramm stand es so. Heute bin ich nur noch ein Stammgast mit Geschmack.“
„Sina“, erwiderte sie knapp. „Ohne Titel, aber mit Appetit.“
„Das ehrt Sie. Und macht mich ein wenig neidisch.“
Er setzte sich nicht, blieb einfach stehen, würdevoll wie ein Kellner in einem alten französischen Film, doch mit dem Lächeln eines Mannes, der weiß, wann er auf verlorenem Posten steht.
Er bestellte einen kleinen Schwarzen, ohne zu fragen, ob er bleiben dürfe.
„Wissen Sie“, sagte er, „die Sonne fällt heute so schön auf Ihren Tisch, die Marillen leuchten nur Ihretwegen.“
„Flirten Sie mit mir?“
„Mit dem Leben.“
„Ich sage Ihnen jetzt mal etwas, das Sie auch nichts angeht. Ich liebe einen Mann, den ich vor Ablauf der nächsten Stunde in meinem Hotelzimmer erwarte, so süchtig wie ein Teenager.“
Die feurige Ansprache erregte Sina. Der ausgediente Schauspieler zog sich mit einem schiefen Grinsen zurück. Sina aber konnte es jetzt kaum erwarten, in der provisorischen Intimität des Hotelzimmers ihrem Liebsten entgegenzufiebern. Sie wollte nicht länger die Zeit im Café totschlagen oder sich sonst wie ein Sommerfrischevergnügen abringen.
…
Sie blieb in ihrem Kleid. Nur die Unterwäsche legte sie ab. Ihr genitaler Puls pochte so stark, dass sie die Beine zusammenpresste. Sie wollte erst kommen, wenn er da war. Entflammt von einer kleinen Berührung. Sie imaginierte seine Hand auf ihrem Po, seine Härte an ihrem Bauch. Es ging beinah über ihre Kraft, doch dann klopfte es endlich an die Tür, sie warf sich in seine Arme und spürte sofort, dass es ihm nicht anders erging als ihr.
„Welche Aussicht willst du zuerst, Liebster?“
Der See war ein Gigant. Der Landesgrößte. Unfassbar tief mitunter.
Die Horizontlinie markierten verschiedene Blau.
Ihr Liebster würde erst am Abend kommen. Er hatte in Wien noch eine Präsentation. Für ihn war es einer dieser durchgetakteten Tage, die kaum Raum zum Atmen ließen.
Lindenblüten aromatisierten die Luft. Sie setzte sich ans Ufer, befreite ihre Füße und ließ sie baumeln. Das war eine Hommage an kindliche Saumseligkeit. Das Wasser war kälter, als sie erwartet hatte. Sie sah bis auf den Grund.
Manche sagen, er merkt sich deine Träume.
Später flanierte sich nach Weyregg. Sie kannte die Geschichte vom versunkenen Kloster zu Weyregg. Die Mär vom grundreinen Glockengeläut. Vom Klang aus der Tiefe.
Sina war empfänglich für mythologische Alltagsüberschreibungen volkstümlicher Provenienz. Sie trug ein leichtes Sommerkleid, das weniger wog als der flüchtigste Gedanke. Es war ein Fluss aus Baumwolle, elfenbeinfarben, mit kaum sichtbaren Stickereien entlang des Ausschnitts. Die Träger waren schmal, der Rücken frei. Der Stoff zeigte eine Tendenz zur Transparenz und schmiegte sich an die Taille wie eine zärtliche Hand. Das Kleid sagte: „Ich kann es kaum erwarten, dass du kommst.“
Manchmal war der See ein gleißender Spiegel. Die Römer hatten die Ufer als Rastplatz entlang der Handelsrouten zwischen Lauriacum (heute Enns) und dem Alpenraum genutzt. Im 19. Jahrhundert avancierte der See zu einem Magneten des Bildungsbürgertums. Gustav Klimt malte hier einige seiner berühmten Landschaften, die Sommerfrische wurde Kult. Die Dörfer rund um den See - Weyregg, Seewalchen, Steinbach - besaßen noch Anmutungen des Habsburger Belle Époque-Flairs.
Der Attersee liegt in einer tektonischen Mulde, die von eiszeitlichen Gletschern vertieft wurde. Die umgebenden Berge bestehen aus Dachsteinkalk. Eine Sage erzählt vom Wassermann. Er bewohnt eine Kristallhöhle und bewacht einen Schatz. Leichtsinnige zieht er in den Tod. Verheiratet ist er mit einer Sirene, der man ein Verhältnis mit dem Drachen nachsagt, der im Höllengebirge haust.
Gesäumt von einem Kranz mächtiger Kastanienbäume lag das Café direkt am Wasser. Auf dem Schild über der Tür stand in geschwungenen Lettern: „Café Seeblick - seit 1898“.
Sina wählte einen Platz auf der Veranda. Sie setzte sich an einen Tisch mit Marmorplatte und gusseisernem Fuß. Die Kellnerin sah nach Ferienjob aus. Sina bestellte einen Verlängerten und Marillenkuchen.
Wenig später stand ein feines Mokkaservice mit Goldrand vor ihr. Der Kuchen dampfte. Die Marillen glänzten unter dem Gitterteig. Ein Klecks Schlagobers schmolz am Tellerrand.
Sina war zu schön, um lange unangesprochen zu bleiben. Ein Panamahutträger im Leinenanzug nahm sich die Freiheit.
„Verzeihen Sie, gnädige Frau“, sagte er. „Darf ich raten? Marillenkuchen - noch warm?“
Sina hob eine Braue.
„Richtig. Aber raten Sie nicht weiter, sonst wird es persönlich.“
Er lachte zuversichtlich.
„Ich verspreche diskrete Zurückhaltung - ganz im Stil der alten Schule. Ich bin nur ein Liebhaber guter Cafés. Und schöner Nachmittage.“
Theatralisch ließ er den Blick schweifen.
„Darf ich mich vorstellen? Jules - Jules von Ehrenthal. Zumindest früher, im Theaterprogramm stand es so. Heute bin ich nur noch ein Stammgast mit Geschmack.“
„Sina“, erwiderte sie knapp. „Ohne Titel, aber mit Appetit.“
„Das ehrt Sie. Und macht mich ein wenig neidisch.“
Er setzte sich nicht, blieb einfach stehen, würdevoll wie ein Kellner in einem alten französischen Film, doch mit dem Lächeln eines Mannes, der weiß, wann er auf verlorenem Posten steht.
Er bestellte einen kleinen Schwarzen, ohne zu fragen, ob er bleiben dürfe.
„Wissen Sie“, sagte er, „die Sonne fällt heute so schön auf Ihren Tisch, die Marillen leuchten nur Ihretwegen.“
„Flirten Sie mit mir?“
„Mit dem Leben.“
„Ich sage Ihnen jetzt mal etwas, das Sie auch nichts angeht. Ich liebe einen Mann, den ich vor Ablauf der nächsten Stunde in meinem Hotelzimmer erwarte, so süchtig wie ein Teenager.“
Die feurige Ansprache erregte Sina. Der ausgediente Schauspieler zog sich mit einem schiefen Grinsen zurück. Sina aber konnte es jetzt kaum erwarten, in der provisorischen Intimität des Hotelzimmers ihrem Liebsten entgegenzufiebern. Sie wollte nicht länger die Zeit im Café totschlagen oder sich sonst wie ein Sommerfrischevergnügen abringen.
…
Sie blieb in ihrem Kleid. Nur die Unterwäsche legte sie ab. Ihr genitaler Puls pochte so stark, dass sie die Beine zusammenpresste. Sie wollte erst kommen, wenn er da war. Entflammt von einer kleinen Berührung. Sie imaginierte seine Hand auf ihrem Po, seine Härte an ihrem Bauch. Es ging beinah über ihre Kraft, doch dann klopfte es endlich an die Tür, sie warf sich in seine Arme und spürte sofort, dass es ihm nicht anders erging als ihr.
„Welche Aussicht willst du zuerst, Liebster?“
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